Blind Date mit Folgen - Roman
anlegen, da machst du dich nur unbeliebt.« Er nahm einen Füllfederhalter und drehte ihn zwischen seinen Fingern. »Ein, zwei Mal im Jahr ist eine Verzögerung vertretbar, aber mir wurde gesagt, dass du in den letzten zwei Wochen …«, er spähte auf das Papier, »fünf Mal verspätet abgegeben hast, und das ist eindeutig inakzeptabel.« Er legte den Füller beiseite und seufzte.
»Was ist denn mit dir los, hm? Wenn ich auf jemanden zählen konnte, warst es du. Nun wird intern über dich geredet und was ich so höre, ist nicht gerade schmeichelhaft.« Er sah sie mit einer Mischung aus Unverständnis und Verzweiflung an und Maira realisierte, dass die Lage ernster war, als sie angenommen hatte. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Er hatte ihr den Teilzeitjob als Praktikantin bei ›Täglich Zürich‹ gegeben, als sie noch an der Uni gewesen war und obwohl sie ihr Deutsch- und Geschichtsstudium abgebrochen hatte, wurde sie von ihm nur wenige Wochen später als Vollzeit-Redakteurin eingestellt. Ihre Texte für den Kulturteil hatten ihm damals gefallen und sie wurde von ihm gefördert und gefordert. Aber nach drei Jahren waren ihr die immergleichen, unsäglichen Themen – wie Theatersubventionen oder Förderung des Zoos – zu öde geworden und sie wollte in den People-Teil wechseln, Porträts und Geschichten über Menschen fand sie viel spannender. Weil es damals keine People-Kolumne bei ›Täglich Zürich‹ gab, hatte sie sich bei anderen Zeitungen beworben und Kostproben ihrer ironischen, teils satirischen Texte versandt. Erfolglos. Nur Borer hatte an sie geglaubt, dem sie ihre Texte ebenfalls hatte zukommen lassen, für den Fall. Er war von ihrem Schreibstil überzeugt gewesen, als alle anderen Zeitungen ihr eine Absage erteilt hatten mit dem Rat, sie müsse kreativ erst noch massiv reifen; er hatte die Sparte der People-Kolumne quasi für sie neu erschaffen und ihr den begehrten Job gegeben – obwohl es ihr an Erfahrung mangelte und sie weder über das Netzwerk noch das Insiderwissen einer Hildegard Schwaninger – Kolumnistin und bekannteste Klatschtante des Landes – verfügte. Er war ihr Mentor gewesen, hatte sie in die Zürcher Szene eingeführt, sie zu Anlässen mitgenommen und ihr so manche Persönlichkeit – und auch viele Pseudo-Promis – vorgestellt. Das war alles ziemlich aufregend für sie gewesen, doch nach kurzer Zeit hatte sie gemerkt, dass sie nicht der Champagner- und Lachsbrötchen-Typ war, der sich unbedingt zu jedem Event schleichen musste zwecks sehen und gesehen werden. Im Gegenteil, dieses Etepetete-Gehabe fing bald an, sie anzuöden. Und sogar da war ihr Borer entgegengekommen. Er hatte ihr die Freiheit gelassen, in ihren Kolumnen – wenigstens innerhalb der People-Themen – über das zu schreiben, was sie für wichtig hielt. Damit war sie eigentlich recht zufrieden. Dass sie vom Chefredaktor Urs Bühler nun dämliche Mister-Schweiz-Wahlen vorgesetzt bekam, war ja nicht seine Schuld.
»Peter, du hast recht, ich hätte Müller nicht vor anderen zurechtweisen dürfen. Ich werde mich bei ihm entschuldigen.« Natürlich genügte das nicht, auch andere Mitarbeiter waren wegen ihren Verspätungen sauer. »Nein, ich werde mich bei der gesamten Druckerei entschuldigen.«
Borer zog seine Brauen hoch.
»Es ist alles in Ordnung mit mir, ich fühle mich einfach etwas ausgebrannt in letzter Zeit und habe Mühe, gute Ideen zu finden.« Das war beinahe die Wahrheit. Dass sich ihre Fische im Jenseits befanden und sie wegen eines Blind Dates aus dem Häuschen war, brauchte er nicht zu wissen.
»Aber ich kann aus einem langweiligen Thema noch immer eine gute Kolumne machen«, fuhr sie fort, »das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass mir der zündende Stoff erst spät einfällt und ich dann einen Zahn zulegen muss.« Das klang sehr reumütig für ihre Verhältnisse, doch es war ihr ernst, denn mit Borer wollte sie es sich nicht verscherzen.
»Okay, dann nehme ich das mal so hin. Und du weißt, auch die größten Schriftsteller haben mal eine Flaute, das ist nichts Schlimmes, da wirst du, wie gesagt, wieder rauskommen.« Er erhob sich und bedeutete ihr damit, dass das Gespräch beendet war.
Sie stand ebenfalls auf. »Danke dir, Peter.«
»Alles klar und mach’s gut.« Als sie die Tür hinter sich schloss, dachte sie, dass der Jagdteufel – trotz seiner Macken – ganz in Ordnung war.
»Hello, hello, kling ding, hello.« Auf dem Display stand Evelines Name. Es war nach 11 Uhr und
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