Blind Date mit Folgen - Roman
den Hausaufgaben, die heute aus dem Malen eines von ihm gewählten Themas bestanden. Michels Bilder zeigten alle das gleiche Motiv: Mit hellen Farben und wenigen Pinselstrichen hatte er die Sonne, ein großes Haus und darin sich selbst zwischen seinen Eltern stehend gezeichnet, oder etwas, das zumindest sie darstellen sollte. Alle drei hielten sich an den Händen fest. Deborah schloss daraus, dass ihr Sohn nichts von ihren Problemen mitbekommen hatte. Sie war erleichtert; wenigstens vermochte sie es, ihm eine gute Mutter zu sein.
Alex hatte sich in seinem Arbeitszimmer verschanzt, wie schon die ganzen letzten Tage seit dem Wochenende. Sie wollte gerade aufstehen und sich einen Kaffee machen, als das Signal einer SMS ertönte. Am Klingelton erkannte sie, dass es Alex’ Handy war. Deborah lief in den Flur, wo sie es auf der Kommode fand. Alex schien das Piepsen nicht gehört zu haben, so nahm sie das Gerät mit in die Küche. Nervös fuhr sie sich durchs Haar. Seine SMS zu lesen, war genauso schlechter Stil, wie ihm nachzuspionieren, außerdem würde er bemerken, dass sie die Nachricht geöffnet hatte. Mist. Was sollte sie tun? Sie tippte aufs Display und sah eine Nummer, zu der kein Name gespeichert war. 0041 war die Schweizer Vorwahl, wenn sie sich nicht täuschte.
Maira!
Bevor sie die Nachricht las, holte Deborah, um sicherzugehen rasch das Telefonbuch aus dem Wandschrank und schlug mit zittrigen Fingern die Ländervorwahl nach. Schweizer Vorwahl. Sie hatte es gewusst. Sie biss sich auf die Unterlippe bis es weh tat. Also hatten sie noch Kontakt!
»Mami, ich auch sehen!« Michel wollte stets, dass sie ihm die gespeicherten Fotos zeigte.
»Nein, Schatz, nicht jetzt. Mal weiter …« Hastig öffnete sie die SMS und las den Text.
Lieber Feuer,
schön, dass du zugestimmt hast.
Alles wird sich klären.
Ich freue mich. Secrets
Es fühlte sich an wie eine große Glocke aus Trauer, Wut und Enttäuschung, die gegen ihren Kopf schlug und ein einziges, langes Dröhnen auslöste. Deborah schwankte und musste sich an den Küchentisch setzen. Was würde sich klären? Und welcher Sache sollte er zugestimmt haben? Sie wollten sich also wieder treffen.
War es denn nie vorbei?
Ihr Puls raste. Er durfte auf keinen Fall erfahren, dass sie es wusste. Sie nahm Michel den Pinsel weg und drückte ihm das Handy in die Hand.
»Hier, mein Schatz, du wolltest doch Fotos anschauen. Mach mal selber, einfach draufdrücken.« So konnte sie später vorgeben, dass er die SMS geöffnet hatte.
Während ihr Sohn begann, wahllos Tasten zu drücken, horchte sie an der angelehnten Arbeitszimmertür. Es war ruhig. Sie ging ins Badezimmer, schloss leise die Tür hinter sich und setzte sich auf den Toilettendeckel. Etwas hämmerte gegen ihren Kopf. Denk nach! Wenn sie mit Alex reinen Tisch machte? Wenn sie ihm gestand, dass sie ihm nachgestellt hatte? Sie könnten sich aussprechen und er würde, ja, was würde er tun? Wie die meisten ertappten Männer in dieser Situation würde er das Ganze wahrscheinlich umdrehen, ihr das Nachspionieren und fehlendes Vertrauen vorwerfen, und mit seiner brillanten Rhetorik ihre Gedanken zu manipulieren versuchen, wie er es bei früheren Streitereien oft getan hatte. Und er konnte natürlich alles abstreiten, und verflixt, sie konnte ihm nicht einmal das Gegenteil beweisen. Außer ein paar kokettierenden, aber unkonkreten Mails und ihrer Kenntnis von den zwei geplatzten Treffen hatte sie wirklich nichts in der Hand. Nur seine Lügen, wo er das Wochenende verbringen würde. Eiskalt ins Gesicht gelogen. Aber konnte man sich von seinen Ehemann trennen allein wegen Unehrlichkeit? Wegen einer Flirterei? Und die Frage aller Fragen: Durfte man seine große Liebe für einen Seitensprung, der vielleicht geplant gewesen war, aber nie stattgefunden hatte, verlassen und die Familie auseinanderreißen? Deborah verbarg das Gesicht in ihren Händen. Sie wusste nicht mehr weiter. Zum ersten Mal seit die Affäre aufgeflogen war, stiegen in ihr Tränen auf. Sie blinzelte ein paar Mal und unterdrückte den starken Drang, sich gehen zu lassen. Sie holte tief Luft und stand auf. Aus dem Spiegel sah ihr eine schöne Frau entgegen, die graugrünen Augen aber blickten leblos und traurig. Sie nahm ein Gummiband und band sich die üppige Haarpracht zusammen.
Ich kann nicht mehr, dachte sie. Dieses Versteckspiel, die falsche Fröhlichkeit, das aneinander Vorbeileben … Es war zu viel. Sie musste das in Ordnung bringen, besser
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