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Blind

Blind

Titel: Blind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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Welt. Jetzt braucht man mal 'ne Handgranate, und dann hat man keine dabei.«
    »Was?«, sagte Jude, und noch während er das Wort aussprach, wusste er plötzlich Bescheid, riss das Steuer herum, fuhr auf den Randstreifen und stieg auf die Bremse.
    Rechts vom Mustang breitete sich ein ausgedehnter Autoparkplatz aus, der von Natriumdampflampen an zehn Meter hohen Stahlmasten erleuchtet wurde. Sie erhoben sich über die Asphaltfläche wie die Reihen einer stummen Invasionsarmee aus einer anderen, fremdartigen Welt. An den dazwischen aufgespannten Leinen flatterten Tausende von blau-roten Wimpeln, die dem Gelände das Flair eines Rummelplatzes gaben. Obwohl es schon nach acht Uhr abends war, hatte der Laden noch offen. Paare flanierten zwischen den Wagen und beugten sich über die Preisschilder, die auf den Windschutzscheiben klebten.
    Georgia runzelte die Stirn und machte den Mund auf, als wolle sie Jude fragen, was zum Henker er vorhabe.
    »Ist das der Laden?«, sagte Jude.
    »Was für ein Laden?«
    »Frag nicht so dumm. Der Laden von dem Kerl, der dich belästigt hat, der dich wie eine Nutte behandelt hat?«
    »Er hat mich nicht … Das war nicht so, dass … So würde ich das nicht sagen …«
    »Ach ja? Ich schon. Ist das nun der Laden?«
    Sie schaute auf seine Hände, die das Lenkrad umklammert hielten. Die Knöchel traten weiß hervor.
    »Wahrscheinlich ist er gar nicht da«, sagte sie.
    Jude stieß die Tür auf und stieg aus. Autos rasten vorbei, und der heiße, nach Auspuffgasen riechende Luftsog zerrte an seinen Hosenbeinen. Georgia stieg ebenfalls aus und schaute Jude über das Wagendach an.
    »Was willst du tun?«
    »Ich werd mir den Kerl greifen. Wie heißt er noch mal?«
    »Komm schon, steig wieder ein.«
    »Wie sieht er aus? Oder willst du, dass ich losziehe und wahllos Gebrauchtwagenhändler zusammenschlage?«
    »Du kannst nicht einfach allein da reinmarschieren und einen Typen vermöbeln, den du nicht mal kennst.«
    »Ich geh auch nicht allein, ich nehm Angus mit.« Er schaute in den Mustang. Angus hatte schon den Kopf zwischen die beiden Vordersitze gesteckt und blickte Jude erwartungsfroh an. »Komm, Angus.«
    Der riesige schwarze Hund sprang auf den Fahrersitz und dann nach draußen. Jude schlug die Tür zu und ging vorn um den Wagen herum, wobei Angus' geschmeidiger, massiger Rumpf gegen seine Beine drückte.
    »Von mir erfährst du nicht, wer es ist«, sagte sie.
    »Auch gut, dann frag ich mich halt durch.«
    Sie packte ihn am Arm. »Was meinst du damit, du fragst dich durch? Was hast du vor? Einen Verkäufer nach dem ändern fragen, ob er früher mal Dreizehnjährige gevögelt hat?«
    Und dann fiel er ihm urplötzlich wieder ein. Er dachte gerade, dass er dem Hurensohn am liebsten einen Revolver ins Maul schieben würde, da fiel ihm der Name wieder ein. »Ruger. Der Bursche heißt Ruger. Wie der Revolver.«
    »Die werden dich einbuchten. Du gehst da nicht rein.«
    »Genau deshalb kommen solche Typen immer ungeschoren davon. Weil Leute wie du sie auch hinterher noch in Schutz nehmen, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.«
    »Ich nehme nicht ihn in Schutz, du Arschloch, sondern dich.«
    Er riss seinen Arm los und hatte sich schon halb umgedreht, zum Nachgeben bereit und gleichzeitig schon wieder stinksauer deshalb, als er merkte, dass Angus nicht mehr da war.
    Er schaute sich um und entdeckte den Schäferhund, wie er schon ziemlich weit weg durch eine Gasse zwischen zwei Reihen Pick-ups trottete und dann hinter einem der Wagen verschwand.
    »Angus!«, rief er, aber in diesem Moment donnerte ein Neunachser vorbei, dessen dröhnender Dieselmotor Judes Stimme verschluckte.
    Jude lief auf den Parkplatz. Er drehte sich um und sah, dass Georgia direkt hinter ihm war. Ihr Gesicht war weiß, die Augen weit aufgerissen vor Angst. Sie befanden sich auf einem belebten Platz an einem stark befahrenen Highway, kein guter Ort, um einen der Hunde zu verlieren.
    Jude erreichte den Pick-up, hinter dem Angus verschwunden war, und da war er – drei Meter vor ihm saß er auf seinen Hinterbacken und gestattete einem dünnen, glatzköpfigen Mann in blauem Blazer, ihn hinter den Ohren zu kraulen. Der Mann war einer der Autoverkäufer. Auf dem Schild an seiner Brusttasche stand RUGER. Ruger war umgeben von einer rundlichen Familie in Reklame-T-Shirts, deren voluminöse Bäuche den Werbeeffekt locker verdoppelten. Der Bauch des Vaters verkaufte Coors Silver Bullet; die Oberweite der Mutter legte sich wenig

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