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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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hören. Sie alle haben welche, Ihre Kriegsberichte, wenn Sie so wollen. Wir alle wissen Dinge, die unsere Staatsanwälte niemals vor Gericht geltend machen könnten. Wir alle kennen diese Details, die die Polizisten auf der ganzen Welt frustrieren, diese Dinge, von denen wir wissen, dass es sie gibt, die wir aber nicht beweisen können.«
    Dantzler zeigte ins Publikum. »Und ich will, dass Ihr Sitznachbar es auch erfährt, und der Kollege hinter Ihnen, und auch die Kollegin dort hinten bei den Kaffeemaschinen -denn während die Welt immer kleiner wird, werden die kriminellen Netzwerke immer größer. Mehr denn je müssen wir heute miteinander kommunizieren.«
    Dantzler trat hinter dem Rednerpult hervor.
    »Sie sehen sich Ihre offenen Fälle stundenlang an und suchen nach dem fehlenden Glied in der Kette, dabei sitzt es vielleicht in einer Gefängniszelle in Lyon. Vielleicht ist es die Nummer eines TransAsia-Fluges von Taipeh nach Phnom Penh, oder der Schlüsselcode eines Cadillacs, der in Queens, New York, geparkt ist; vielleicht der Name eines Schiffes, der irgendwo in einer Gasse in Rom oder Buenos Aires geflüstert wird. Für sich betrachtet bedeuten solche Dinge gar nichts, aber zusammen mit dem Wissen des Kollegen, der neben Ihnen sitzt, könnte es neue Türen öffnen -und deshalb bin ich nicht hergekommen, um Ihnen etwas zu erzählen. Sie werden sich in einem Jahr vielleicht nicht mehr an die Namen Ihrer Kolleginnen und Kollegen hier erinnern können – aber diese Geschichten werden Sie nicht vergessen. Und das genügt, um miteinander ins Gespräch zu kommen, die Telefone heiß laufen zu lassen, wie es so schön heißt, damit die Welt tatsächlich kleiner wird und weniger Platz für diejenigen bietet, die im Verborgenen ihr Unwesen treiben.«
    Dantzler schritt direkt auf die erste Reihe der Zuhörer zu. Er zog einen leeren Sessel in den Mittelgang, stellte einen Fuß darauf und stützte sich auf das Knie, den Ellbogen auf die Bügelfalte seiner Hose gedrückt.
    »Ich mache den Anfang«, sagte er. »In Deutschland gab es eine Frau, die eine Visawerkstatt betrieb.«
    Er sprach so laut, dass er kein Mikrofon brauchte, um sein Publikum zu erreichen.
    »Es war eine schwere Zeit für uns. Unsere Regierung hatte gerade die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Tschechien gelockert. Kein Mensch machte sich mehr die Mühe, die Visa anzusehen, egal ob legal oder illegal – für unsere Grenzpolizei waren sie nicht mehr wichtig. Wir haben damals geschätzt, dass mit jedem zwanzigsten Visum -sei es aus Tschechien oder aus der Ukraine – ein Mensch über die Grenze kam, der in der Folge zu Sklavendiensten gezwungen wurde. Eine Frau, die solche Visa herstellte, wählte sich ihre Opfer auf russischen Websites aus, mit Anzeigen, in denen nach Haushaltshilfen für reiche Deutsche gesucht wurde. Sie verlangte Fotos und Belege für die Geburtsdaten der Mädchen. Sie traf sie vor dem Theater Imago in Hamburg und stellte sie ihren neuen Arbeitgebern vor – es war immer einer von drei Männern, die die Mädchen in ein fensterloses Haus in Bielefeld brachten, wo man ihnen alles wegnahm, was sie besaßen. Sie wurden geschlagen und gezwungen, sich Snuff-Filme mit wirklichen Morden anzusehen – im selben Raum, in dem diese Filme gedreht wurden. Die psychologische Wirkung der Filme reichte aus, um jeden Gedanken an Flucht zu unterdrücken. Danach machte man sie heroinabhängig und zwang sie zur Prostitution in Nachtclubs, die der Mafia gehörten. Wenn sie sich weigerten, mussten sie die Hauptrolle in einem Snuff-Film spielen. Der Name der Frau ... «
    Als Nächster sprach ein Inspektor Singh von der Polizei Mount Lavinia und erzählte den Zuhörern von einem Mann in Sri Lanka, der ein bestimmtes Schiff besaß, das regelmäßig nach China und an die Küste von Südkorea fuhr. Fast eine Million Menschen waren in den vergangenen fünf Jahren in seinem Land verschleppt worden, ein Drittel davon jünger als achtzehn Jahre. Und sie warteten alle auf seine Hilfe...
    Leutnant George Basescu von der rumänischen Polizei beschrieb ein Lagerhaus in Bukarest, das als Einkaufszentrum für menschliche Ware benutzt wurde. Die mutmaßlichen Täter, allesamt bekannte Kriminelle, stellten ihre »Ware« in einem Ausstellungsraum mit grellen Wandteppichen und Spiegeln zur Schau. Wenn die Mädchen nicht vorgeführt wurden, hockten sie in zweieinhalb mal zweieinhalb Meter großen Zellen, die schalldicht isoliert waren. Sie kamen von überallher, vor

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