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Blinde Angst

Titel: Blinde Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George D Shuman
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Geruch, der aus dem engen Raum hochstieg, musste unerträglich sein. Treibstoff, Kotze und Scheiße, und natürlich ihre schmutzigen Körper – die der Lebenden und der Toten.
    Sie hatte Angst, dass er den Befehl geben könnte, den Raum ganz einfach mit irgendeinem Feuerschutzmittel zu behandeln und ihn dann zu verschließen. Es wäre unter den gegebenen Umständen das Sicherste gewesen. Der Preis für ein paar menschliche Körper konnte kaum so hoch sein, dass man dafür das Risiko in Kauf nahm, auf einem brennenden Schiff gefangen zu sein. Ein kleiner Funke, heiße Asche von einer Zigarette, ein Blitz, statische Elektrizität -alles Mögliche konnte dazu führen, dass sich die Treibstoffdämpfe entzündeten.
    Doch er tat es nicht. Er ließ sie einfach da unten liegen, die Luke geöffnet, um den Raum zu belüften. Sie nahm an, dass sie nicht mehr weit von ihrem Ziel entfernt waren, und dass sich der Kapitän den Lohn für seine Fracht nicht entgehen lassen wollte. Niemand würde ihm auch nur einen Cent für einen Haufen Leichen zahlen. Oder vielleicht lag es auch daran, was er gesehen hatte, als er in den Raum hinunterspähte. Vielleicht konnte er es nicht ertragen, noch mehr Tod und Verwesung auf dem Schiff zu haben.
    Seit die Luke offen war, hatten sie zwar Licht und frische Luft hier unten, doch die Temperatur in dem Raum war zum Ersticken, und die Maschinen dröhnten unablässig. Sie alle litten an ständiger Übelkeit und mussten sich immer wieder übergeben.
    Aleksandra schaute in die jungen Gesichter und fragte sich, was diese Mädchen wohl schon hinter sich hatten. Sie kamen aus Russland, Litauen, Rumänien oder aus der Slowakei. Alle waren sie unter irgendeinem Vorwand in eine Hafenstadt an der Ostsee gelockt worden. Es besaß schon eine bittere Ironie, dass auch Aleksandra, die besser als alle anderen wusste, was mit ihnen passierte, unter ihnen war. Sie war sozusagen ein Irrtum und gehörte nicht zum Plan der Entführer.
    Aleksandra Goralski, Unteroffizierin im Zentralen Ermittlungsbüro der polnischen Polizei, befand sich im Ostseehafen Danzig oder Gdansk, um einem Korruptionsverdacht gegen den Leiter der Zollbehörde nachzugehen. Der Mann hatte plötzlich einen stark veränderten Lebensstil gezeigt – einen Lebensstil, zu dem eine jugendliche Geliebte, Oldtimer-Autos und ein Sportboot gehörten, was er sich normalerweise nie im Leben leisten könnte.
    Weil dieser hohe Beamte gute Beziehungen zum polnischen Innenminister hatte, musste die Sache mit großer Vorsicht behandelt werden. Aleksandra führte in Gdansk eine geheime Überwachung der Zielperson durch, fand aber nichts Auffälliges in seinen persönlichen Angelegenheiten. Da war nichts, was darauf hindeutete, dass der Mann zu einer großen Geldsumme gekommen war; er hatte keine Erbschaft gemacht, seine Bankunterlagen entsprachen seinem Einkommen von 48.000 Euro. Doch die Datscha, die Autos und das Sportboot waren weit über eine Million wert, und das bedeutete, dass er von irgendwoher große Summen bezog.
    Dann hörte Aleksandra eine Geschichte über den Zollbeamten und einen liberischen Frachter, der im Hafen vor Anker lag. Der Fahrer eines Metzgers, der die Schiffe belieferte, die kurz vor dem Auslaufen waren, hatte gesagt, dass er den Mercedes-Benz des Zollbeamten kannte und den Mann schon zweimal an Bord der Yelenushka gesehen hatte, als sie im Hafen lag. Er hatte selbst fünfzig Kilo Fleisch an Bord gebracht. Die Mannschaft hatte gesagt, dass sie nach Haiti aufbrechen würden.
    Hochrangige Beamte in Polen waren immer noch Leute, die ihren eigenen Chauffeur hatten, und die das Aroma von Kaviar und kubanischen Zigarren dem Geruch von Salzwasser und toten Möwen vorzogen. Warum ging so jemand an Bord eines schmutzigen Frachtschiffes, das nach Haiti fahren würde?
    Normalerweise hatte ein Schiff von der Größe der Yelenushka eine zehnköpfige Besatzung, die sich an einem solchen Abend aber bestimmt nicht vollzählig an Bord befand, hatte Aleksandra überlegt. Sie würden noch einmal ausgelassen feiern, bevor es wieder auf See ging. Sie hatte sich gefragt, ob es wohl möglich wäre, einen Blick in die Laderäume zu werfen oder sich Zutritt zum Quartier des Kapitäns zu verschaffen und seinen Schreibtisch zu durchwühlen -eine Idee, die ihr durchaus realistisch erschien. Aleksandra hatte in ihrer Zeit bei der Armee schon verrücktere Dinge gemacht, als sie gegen die Taliban kämpfte.
    Wenn der Leiter der Zollbehörde für irgendetwas Geld nahm,

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