Blinde Angst
sagt, dass er sie nach Tiburon bringen soll und wieder zurück. Es klingt nach einem inoffiziellen Besuch, meint er, aber eine der Frauen ist Carol Bishop.«
Bedard schloss sein Auge und griff sich an die Kehle. »Dann wissen sie Bescheid.«
»Es sieht so aus, Kommandant.«
»Warum Tiburon?«
»Sie wollen zu dem toten Mann namens Pioche.«
»Das heißt, sie wissen auch, dass er hier war.« Bedard hämmerte auf das Fensterbrett.
»Wenn sie es wüssten, Kommandant, dann bräuchten sie die Leiche nicht.«
Bedard nickte. »Vielleicht suchen sie nach Hinweisen. Irgendetwas an der Leiche, oder vielleicht wollen sie die Witwe befragen. Sie suchen nach irgendeiner Spur, die sie hierher führen könnte. Wer ist die andere Frau?«
»Ihr Name ist Sherry Moore.«
»Sie muss für die Spurensicherung zuständig sein, wahrscheinlich vom FBI«, meinte Bedard. »Wann werden sie hier sein?«
»Morgen um Mitternacht.«
»Sag dem Oberst, er soll alles tun, was sie von ihm wollen. Wir werden sie in Tiburon erwarten. Und erinnere den Oberst noch einmal daran, dass seine Frau und seine Töchter immer noch unsere Gäste sind, falls er ein bisschen Extra-Motivation braucht.«
Es klopfte an der Tür, ein Diener kam herein und trug ein Tablett zu dem Tisch, der mit einem weißen Leinentuch bedeckt war. Er schenkte Wein ein, zündete Kerzen an und ging wieder hinaus.
Bedard trat an den Esstisch und griff nach dem Weinglas.
»Unser letztes Schiff aus der Ukraine nähert sich gerade den Caicos-Inseln«, berichtete der Leibwächter. »Es trifft mit einem kolumbianischen Fischdampfer zusammen und übergibt die Frauen gleich auf See.«
»Und dann?«
»Das Schiff legt in Port-au-Prince an; es wird überholt und dann zusammen mit den Papieren an einen Kapitän aus Venezuela übergeben. Das Geld für die neun anderen Schiffe wird auf ein Konto auf den Cayman-Inseln überwiesen.«
Bedard sah sich im Zimmer um. Er würde Contestus nicht vermissen. Genauso wenig wie er das Land vermissen würde, in dem er geboren wurde. Bedard hatte seine große Zeit hier in Haiti gehabt, als Papa Doc Duvalier das Land regierte. Seine Strategie hatte so wie die des Diktators darin bestanden, den Aberglauben und die Ängste der Leute gegen sie einzusetzen. Jeder Widerstand wurde mit rücksichtsloser Gewalt erstickt, während er die Reichtümer des Landes plünderte. Er war Richter, Geschworener und Scharfrichter in einem.
Heute lagen Papa Doc und Thiago Mendoza im Grab. Somit gab es für Bedard hier nichts mehr zu tun.
Er ging zu dem Diwan, beugte sich vor und winkte das Mädchen zu sich. Aleksandra zuckte zusammen, dann blickte sie auf und bemühte sich, klar zu sehen. Sie stützte den Oberkörper auf den Couchtisch und kroch nach vorne, bis sie auf dem Boden kniete.
»Iss«, sagte er zu seinem Leibwächter. Er hob sein Glas und trank, und etwas Wein tropfte an seinem Kinn hinunter und färbte den weißen Verband blutrot.
»Ich komm gleich nach.«
Santo Domingo, Dominikanische Republik
Die Klimaanlage in dem alten Airbus A310 funktionierte nicht richtig. Immer wieder hörte man Passagiere husten; es würde nicht ausbleiben, dass nach dem Flug der eine oder andere mit einem Virus im Bett liegen würde. Und dann wurde am Flughafen Las Américas International in der Dominikanischen Republik das gesamte Gepäck zuerst einmal von einem Drogenspürhund untersucht.
Als Sherry im Renaissance ankam, wusste sie sofort, warum Carol Bishop dieses Hotel ausgesucht hatte. Es war ein Sprachengemisch aus aller Welt, das von den Marmorwänden widerhallte. Deutsche, Japaner, Franzosen und Schweizer bewegten sich in Strömen zwischen den Restaurants und Parfümerien, den Kasinos und Heilbädern. Es herrschte ein reges Kommen und Gehen; Hoteldiener riefen Taxis und schoben klappernde Gepäckwagen, Autotüren wurden geöffnet und zugeknallt.
Viele, die hierherkamen, wollten einfach nur etwas trinken und vielleicht im Kasino spielen, um den Alltag hinter sich zu lassen. Sie wollten nichts von den schlechten Nachrichten der Welt hören, und das Hotelpersonal war darauf trainiert, alles Unangenehme von ihnen fernzuhalten. In einem Haus wie dem Renaissance würde kein Mensch auf sie achten. Hier konnte man sich sozusagen mitten unter den Leuten verstecken.
Sherry trennte sich von Carol vor ihrem Zimmer im neunten Stock.
Sie duschte und legte sich aufs Bett, und sie musste einmal mehr daran denken, dass sie Brigham enttäuscht hatte. Ihr war natürlich bewusst, wie wenig
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