Blinde Flecken: Schwarz ermittelt
sein, Luisa?«
»Sturheit. Du klammerst dich verzweifelt an eine romantische Idee, statt endlich der Wirklichkeit ins Auge zu sehen.«
Schwarz schwieg.
»Ich sag das nicht, weil ich dir wehtun will, Papa. Ich möchte nur, dass du endlich wieder glücklich wirst – ohne Mama.«
Jetzt war Schwarz wirklich beleidigt. »Ohne Mama? Bist du dir eigentlich sicher, dass du meine Tochter bist?«
Luisa schaute ihn irritiert an.
»Ich meine, Töchter wollen doch, dass ihre Eltern zusammen sind. Sie leiden schrecklich unter Trennungen, auch wenn die Ehe der Eltern die Hölle war. Was sie bei Monika und mir nun wirklich nicht war.«
Luisa holte empört Luft. »Das ist wieder typisch für dich. Du vermeidest doch jede Auseinandersetzung mit unbequemen Wahrheiten.«
»Wenn du meinst«, sagte Schwarz. »Aber eigentlich bin ich nicht gekommen, um das zu hören. Ich wollte dich bitten, dass du die Augen offen hältst und dich sofort meldest, wenn dir etwas Verdächtiges auffällt.«
»Vergiss es. Ich will mein Leben genießen. Und wenn es vorbei ist, soll es vorbei sein.«
Schwarz seufzte tief. Den Besuch hätte er sich schenken können.
28.
Schwarz versuchte, sich zu beruhigen. Er sagte sich, dass der Diebstahl des Fotos ihn wahrscheinlich nur einschüchtern sollte und niemand ernsthaft die Entführung seiner Tochter oder seiner Frau plante.
Als Nächstes hätte er normalerweise Kolbinger angerufen und gefragt, ob er schon mehr über den Brandanschlag in der Gollierstraße wusste. Aber durch Heiners Informationen war seine Beziehung zu dem ehemaligen Kollegen jetzt einigermaßen belastet.
Schwarz beschloss, selbst ins Westend zu schauen. Da er am Abend noch Dienst in der
Karibik
hatte, nahm er dasFahrrad. Er fuhr die Landsberger entlang und wunderte sich wieder einmal, wieso es so viele Läden und so wenige Passanten gab. Wahrscheinlich, dachte er, ist hier die Laufkundschaft eine Fahrkundschaft.
Die andere Straßenseite gehörte tagsüber den Gebrauchtwarenhändlern und ihren Kunden. Die Huren kamen erst, wenn es dunkel wurde. Selbst im
Club Esmeralda
kam der Bordellbetrieb erst ab dem späteren Nachmittag in Gang. Cindy saß wahrscheinlich allein zuhause auf ihrem Plüschsofa, guckte gerade zum hundertsten Mal ›Pretty Woman‹ und zählte ihr Geld.
Schwarz bog nach rechts in die Bergmannstraße ein. In der Gollierstraße kam ihm ein mit Brandschutt beladener Lastwagen entgegen. Ein Bauzaun verstellte den Blick auf das Haus. Schwarz stieg vom Rad und spähte durch eine Ritze.
Er glaubte, nicht recht zu sehen. Das Dach war abgetragen, ein Teil der Fassade eingerissen.
»War einsturzgefährdet«, erklärte ein alter Mann, der seinen Spitz ausführte. »Eine denkmalgeschützte Ruine weniger. Der Besitzer wird sich freuen – wenn er’s nicht selber war.«
»Der Besitzer ist eine Bank«, sagte Schwarz.
»Dann halt nicht«, sagte der Mann.
»Haben Sie was von den Bewohnern gehört?«
»Die werden umgesiedelt.«
»Umgesiedelt?«
»Na, nach Hause geschickt, in andere Wohnungen einquartiert, was weiß ich.«
»Gibt es hier in der Nähe ein Lokal, wo sich Türken treffen?«
»Eins?« Er lachte höhnisch. »Was wollen Sie denn von denen?«
»Ich hatte Freunde in dem Haus.«
»Freunde?« Er verzog das Gesicht, deutete zu einer Eckkneipe und setzte seinen Weg fort.
Im
Westendhof
drängte sich etwa ein Dutzend junger Türken um einen Tisch, an dem drei Alte mit Häkelmützen saßen. Dass sich die erregte Diskussion um die Brandstiftung drehte, begriff Schwarz nur, weil sich einer der Umstehenden immer wieder auf Deutsch einmischte.
Schwarz tippte dem jungen Mann auf die Schultern.
»Dürfte ich Sie kurz sprechen?«
Er fuhr herum und musterte ihn. »Sie sehen aus wie ein Bulle.«
»Sie sind nicht der Erste, der das denkt.«
»Und?«
»Ich suche Murat Celik.«
Der Mann betrachtet ihn misstrauisch.
»Was wollen Sie von ihm?«
»Mit ihm reden.«
»Er hat seinen Bruder und seine Nichte verloren.«
»Deswegen.«
Nach kurzem Zögern kritzelte der Mann eine Telefonnummer auf einen Bierdeckel.
»Der Hodscha kümmert sich um die Familie. Und jetzt hauen Sie besser ab. Die Leute hier sind grade nicht so gut auf Deutsche zu sprechen.«
»Kann ich verstehen.« Schwarz zog sich mit einem Kopfnicken zurück.
Der Kulturverein, in dem vor allem Kinder und Jugendliche religiös unterwiesen wurden, lag in einem seit vielen Jahren geschlossenen Café.
Bei uns ist jeder friedliebende Mensch willkommen
, hatte der
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