Blinde Goettin
kleinen Griff rechts am Sitz und klappte die Lehne zurück. »Ich werd’s versuchen«, murmelte er verzweifelt.
Zwanzig nach acht. Er hatte Hunger. Er hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen. Die vielen Vorbereitungen hatten ihm keine Zeit für Appetit gelassen, und außerdem war sein Magen nach zehn Fastentagen ans Essen nicht mehr gewöhnt. Aber jetzt grummelte er gebieterisch. Er blinkte und fuhr langsam auf den beleuchteten Parkplatz. Er hatte reichlich Zeit für einen kleinen Imbiß, er hatte nur noch eine gute Dreiviertelstunde zu fahren. Und eine Viertelstunde, um die Hütte zu suchen. Oder eine halbe, ihr Fachschaftstreffen da unten war lange her.
Sein Auto fand einen Platz zwischen zwei Mercedes, schien sich aber in dieser feinen Gesellschaft durchaus wohl zu fühlen. Anwalt Jørgen Lavik lächelte kurz, klopfte dem Lada freundschaftlich auf die Kofferhaube und betrat die Raststätte. Es war ein seltsames Gebäude, es sah aus wie ein am Boden angewachsenes UFO. Er bestellte eine große Portion Erbsensuppe und setzte sich mit einer Zeitung an einen Tisch am Fenster. Dort blieb er eine ganze Weile sitzen.
Holmestrand lag schon hinter ihnen, und dank auto-reverse lief jetzt die andere Seite der Kassette. Håkon hatte genug von Country und suchte im Handschuhfach nach etwas anderem. Sie redeten nicht viel. Das war nicht nötig. Håkon hatte sich angeboten zu fahren, aber Hanne hatte abgelehnt. Im Grunde war ihm das recht. Weniger recht war ihm, daß sie seit Drammen eine Zigarette nach der anderen paffte. Es war zu kalt, um das Fenster aufzumachen, und ihm wurde schlecht. Sein eigener Tabak machte die Sache auch nicht besser. Er spuckte ihn in ein Taschentuch, verschluckte aber einige Reste.
»Kannst du mit dem Rauchen vielleicht warten?«
Sie war verdutzt und drückte die gerade erst angerauchte Zigarette aus. »Warum sagst du das erst jetzt?« fragte sie mit mildem Tadel und warf die Zigarettenpackung auf die Rückbank.
»Das ist dein Auto«, antwortete er leise und schaute aus dem Fenster. Eine dünne Schneeschicht bedeckte die weiten Felder. Hier und dort lagen in weiße Plastikplanen eingewickelte Strohballen aufgereiht. »Die Dinger sehen aus wie riesengroße Fischklöße«, sagte er, und ihm wurde noch elender.
»Wer denn?«
»Diese Plastikrollen. Heu, oder was das ist.«
»Stroh, nehme ich an.«
Er entdeckte hundert Meter weiter links mindestens zwanzig weitere Rollen. Hier waren die Planen jedoch schwarz.
»Lakritzfischklöße«, sagte er; ihm wurde immer schlechter. »Wir müssen halten. Mir wird gleich schlecht.«
»Es sind nur noch zwanzig Minuten. Kannst du nicht warten?« Sie wirkte nicht gereizt, sie wollte nur endlich dasein.
»Nein, ehrlich gesagt kann ich nicht warten«, erklärte er und schlug sich die Hand vor den Mund, um seine Notlage zu verdeutlichen.
Ungefähr fünf Minuten später fand sie eine Stelle, wo sie anhalten konnte, eine Bushaltestelle bei einer Stichstraße, die zu einem kleinen weißen Haus führte. In dem Haus brannte kein Licht. Die Gegend war so öde, wie es an einer Hauptstraße durch Vestfold überhaupt nur möglich war. Zwar brausten in regelmäßigen Abständen Autos vorbei, aber ansonsten gab es kein Lebenszeichen.
Die frische, kalte Luft tat unglaublich gut. Hanne blieb im Wagen sitzen, während er über die kleine Stichstraße wanderte. Einige Minuten lang blieb er stehen und hielt sein Gesicht in den Wind. Das half, und er machte kehrt.
»Gefahr gebannt«, sagte er und schnallte sich an.
Der Motor hustete wütend, als sie den Zündschlüssel umdrehte. Dann starb er. Sie drehte und drehte. Keine Reaktion. Der Motor war einfach tot. Das kam so überraschend, daß sie beide schwiegen. Sie machte noch einen Versuch. Vergeblich.
»Wasser im Zündverteiler«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Oder sonstwas. Vielleicht ist die ganze Karre im Arsch.«
Håkon schwieg noch immer, und das war gescheit. Mürrisch sprang sie aus dem Wagen und öffnete die Motorhaube. Gleich darauf saß sie wieder neben ihm, mit etwas in der Hand, das er für den Deckel des Zündverteilers hielt. Es sah jedenfalls aus wie ein Deckel. Hanne nahm Küchenkrepp aus dem Handschuhfach und rieb und trocknete an dem Ding herum. Schließlich inspizierte sie es mit kritischem Blick und brachte es wieder an. Das war schnell getan.
Aber es nutzte nichts. Der Wagen war noch nicht zur Zusammenarbeit bereit. Nach zwei weiteren Versuchen mit dem Zündschlüssel schlug
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