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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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sie wütend auf das Lenkrad.
    »Typisch! Gerade jetzt! Dieser Wagen läuft wie geschmiert, seit ich ihn vor drei Jahren gekauft habe. Lieb und nett. Und läßt mich ausgerechnet jetzt im Stich. Verstehst du was von Automotoren?«
    Ihr Blick war ziemlich kritisch, und er ahnte, daß sie die Antwort schon wußte. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nicht sehr viel«, übertrieb er. In Wahrheit wußte er nicht das Geringste über Autos, allenfalls, daß sie Benzin brauchten.
    Trotzdem ging er mit ihr nachsehen. Vielleicht war er eine Art moralische Stütze, vielleicht ließ der Motor sich überreden, wenn sie zu zweit kamen.
    Nach ihrem Fluchen zu urteilen, kam sie bei der Suche nach dem Defekt nicht wesentlich voran. Rücksichtsvoll zog er sich zurück und merkte, wie die Unruhe wieder in ihm aufstieg. Es war kalt, und er hüpfte von einem Fuß auf den anderen, während er den vorüberjagenden Autos nachsah. Nicht eins machte Anstalten anzuhalten. Die Leute waren sicher auf dem Heimweg und hatten wenig Lust, an diesem unangenehmen kalten Vorweihnachtsabend Mitmenschlichkeit zu zeigen. Die Fahrer mußten sie sehen; neben dem Wartehäuschen an der Bushaltestelle stand in aller Einsamkeit eine Straßenlaterne. Es wurde stiller, eine kleine Unterbrechung in dem gleichmäßigen, wenn auch nicht hektischen Verkehr. In der Ferne sah er die Scheinwerfer eines näher kommenden Wagens. Der Fahrer schien sich an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten, siebzig Stundenkilometer. Die wenigsten taten das. Vier Autos hingen ungeduldig viel zu dicht dahinter.
    Und dann erlitt er wirklich einen Schock. Die Laterne beim Wartehäuschen strahlte für eine Sekunde den Fahrer des ersten Wagens an. Håkon sah genau hin; er hatte mit sich selbst gewettet. Es mußte eine Frau sein, die so langsam fuhr. Es war keine Frau, es war Peter Strup.
    Es dauerte einen Moment, ehe diese Beobachtung den richtigen Teil seines Gehirnes erreichte. Nur einen Moment. Er schüttelte den Schock ab und rannte zum Wagen, dessen Motorhaube klaffte wie das Maul eines im Schilf gestrandeten Hechtes.
    »Peter Strup!« heulte er. »Gerade ist Peter Strup vorbeigefahren!«
    Hanne fuhr hoch und schlug mit dem Kopf gegen die Motorhaube. Sie achtete nicht darauf. »Was sagst du da!« rief sie, obwohl sie ihn sehr gut gehört hatte.
    »Peter Strup! Der ist hier vorbeigefahren! Gerade eben, vor einer Minute!«
    Alle Puzzleteile fügten sich zusammen, so schnell, daß das Bild kaum zu erfassen war, obwohl es klar wie ein kalter, sonniger Frühlingstag vor ihnen lag. Sie war wütend auf sich selbst. Der Mann hatte sich doch die ganze Zeit verdächtig benommen. Er war die natürlichste Alternative. Im Grunde sogar die einzige. Warum hatte sie das nicht sehen wollen? Lag das an Strups tadellosem Leumund, seiner korrekten Erscheinung, seiner langjährigen Ehe, seinen prächtigen Kindern; hatte all das dafür gesorgt, daß ihre Intuition sich gegen den zwingenden Verdacht gewehrt hatte? Ihr Verstand hatte ihr gesagt, daß er es war, aber ihr Polizeiinstinkt, ihr verdammter, überschätzter Instinkt hatte protestiert. »Shit«, sagte sie leise und schlug die Motorhaube zu. »So much for my damned instincts.« Sie hatte den Kerl ja nicht einmal zum Verhör bestellt. Verdammte Scheißpest!
    »Halt ein Auto an«, schrie sie Håkon zu, der ihrem Befehl gehorchte, sich an den Straßenrand stellte und mit beiden Armen winkte. Sie setzte sich in ihr elendes, verfluchtes Wrack, raffte Mantel, Zigaretten und Brieftasche zusammen, stieg wieder aus und schloß den Wagen ab. Dann stellte sie sich neben den verängstigten und aufgeregten Polizeiadjutanten.
    Niemand schien halten zu wollen. Entweder fuhren sie vorbei, ohne die beiden winkenden und hüpfenden Personen am Straßenrand auch nur zu bemerken, und verfehlten sie nur um wenige Zentimeter, oder sie hupten die Verkehrsstörer tadelnd an und sausten in einem Bogen vorbei.
    Als über zwanzig Autos vorbeigefahren waren, befand Håkon sich am Rande des Zusammenbruchs, während Hanne klar war, daß etwas geschehen mußte. Es war lebensgefährlich, sich mitten auf die Straße zu stellen, das ging also nicht. Wenn sie telefonisch Hilfe anforderten, konnte es zu spät werden. Sie warf einen Blick zu dem dunklen Haus hinüber. Es stand klein und bescheiden mit geschlossenen Augen da, als wollte es sich für seine schlechte Lage, nur zwanzig Meter von der E 18, entschuldigen. Kein geparktes Auto zu sehen.
    Sie rannte zu dem Haus hinüber. Die

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