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Blinde Goettin

Blinde Goettin

Titel: Blinde Goettin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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sie an der Tischkante. Das Holz splitterte, und er schlug eine kleine Kerbe in den Flaschenhals. »Es ist doch Wochenende«, entschuldigte er sich und setzte die Flasche an den Mund. Da deren Inhalt temperiert war, schäumte er über, und Håkon ließ sich zurücksinken und spreizte die Beine, um sich nicht zu bekleckern. Er wischte sich über den Mund und wartete auf Antwort.
    »Nein, bei unserer Kapazität ist es unmöglich, den Typen rund um die Uhr zu beschatten. Es ist das pure Glücksspiel. Beschatten macht keinen Sinn, wenn es nicht effektiv ist. Dann ist es nur noch frustrierender.«
    »Was ist mit den Geschäftsleuten unter Laviks Kundschaft?«
    »Das herauszufinden würde eine enorme Arbeit bedeuten. Er hat einige Hotelprojekte im Fernen Osten. Bangkok. Nicht weit weg von den Heroinmärkten. Aber die Investoren, für die er gearbeitet hat, scheinen seriös zu sein, und die Hotels existieren wirklich. Also ist mit dem Auftrag alles in Ordnung. Wenn du die Kohle auftreibst, kannst du gern nach Thailand fahren und dich selbst davon überzeugen.« Sie hob die Augenbrauen zu einer Grimasse, die deutlich sagte, wie sie die Chancen einer solchen etatmäßigen Extravaganz einschätzte. Draußen war es inzwischen dunkel, und die Müdigkeit, die sie beide empfanden, ließ, zusammen mit dem leichten Biergeruch, das kleine Büro fast gemütlich wirken. »Sind wir jetzt im Dienst?«
    Er wußte, was sie meinte, lächelte verneinend und reichte ihr eine Bierflasche, nachdem er sie auf dieselbe Weise geöffnet hatte wie die erste. Die Tischplatte ächzte, aber diesmal gelang es ihm, den Flaschenhals nicht zu beschädigen. Sie nahm das Bier, stellte die Flasche aber plötzlich auf den Tisch und verschwand wortlos. Zwei Minuten später gab sie sich alle Mühe, zwei Kerzen auf seinem Tisch zum Stehen zu bringen. Nachdem sie ziemlich mit Stearin herumgekleckert hatte, standen sie schließlich, leicht schief, jede in eine andere Richtung. Sie knipste das Deckenlicht aus, während Håkon die Schreibtischlampe zur Wand drehte, so daß sie nur ein vages Licht ins Zimmer schickte.
    »Wenn wir jetzt überrascht werden, kommt Bewegung in die Gerüchteküche.«
    Er nickte zustimmend. »Aber das wäre doch zu meinem Vorteil«, grinste er.
    Sie stießen, etwas zu hart, mit ihren Flaschen an.
    »Das war wirklich eine gute Idee. Ist das erlaubt?«
    »Ich mache am Freitagabend um halb sieben in meinem Büro, was ich will. Ich werde für meine Anwesenheit hier nicht bezahlt, ich fahre mit der Bahn nach Hause, und da wartet niemand auf mich. Wie ist das bei dir? Wartet auf dich jemand?«
    Er hatte das freundschaftlich gemeint. Es war ein gedankenloser und gutgemeinter Versuch gewesen, die ungewöhnliche Stimmung auszunutzen, und er war wirklich nicht zu weit gegangen. Trotzdem erstarrte sie, setzte sich gerade hin und stellte die Bierflasche beiseite. Er spürte ihre Veränderung und bereute bitterlich.
    »Was ist mit Peter Strup?« fragte er nach einer drückenden Pause.
    »Den haben wir uns nicht so genau angesehen. Vielleicht sollten wir das noch tun. Ich weiß nur nicht so ganz, wonach wir da suchen sollten. Ich interessiere mich eher für das, was Karen Borg wahrscheinlich weiß.«
    Er nahm seine Brille ab, ein Ablenkungsmanöver, und wischte mit dem Saum seines Sweatshirts an den Gläsern herum.
    »Sie weiß mehr, als sie sagt. Das ist klar. Vermutlich geht es um andere strafbare Geschichten als die, die wir schon über Han van der Kerch haben. Wir haben den Mord. Die technischen Untersuchungen sind ja abgeschlossen, und die brechen ihm den Hals. Aber wenn wir uns nicht irren, steckt er noch dazu bis über beide Ohren im Drogenhandel. Das ist nicht gerade günstig für das Strafmaß bei vorsätzlichem Mord. Sie unterliegt der Schweigepflicht. Karen Borg ist eine Frau von Prinzipien, das kannst du mir glauben. Ich kenne sie verdammt gut. Zumindest habe ich sie gekannt.«
    »Sieht nicht so aus, als ob meine Notiz Konsequenzen für sie gehabt hätte«, sagte Hanne. »Ihr ist nichts Ungewöhnliches oder Beunruhigendes aufgefallen?«
    »Nein.« Er war sich da nicht so sicher, wie er vorgab. Seit zwei Wochen hatte er nicht mehr mit ihr gesprochen. Nicht, daß er es nicht versucht hätte. Obwohl sie ihn so lange geküßt hatte, bis er versprochen hatte, sie nicht anzurufen, hatte er sein Versprechen schon zwei Tage, nachdem er in aller Herrgottsfrühe ihre Treppe hinuntergestolpert war, gebrochen. Am Montagmorgen hatte er es im Büro

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