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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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schreckliche Weise zur Witwe geworden war. Sie war ins Haus gekommen, um für Joshua den Babysitter zu spielen.
    Oder, in diesem Fall, die Anstandsdame.
    Besser, er ging auf Nummer sicher.
    »Das wäre toll«, sagte Billie. »Morgen?«
    »Ich muss es noch mit meiner Schwägerin absprechen«, sagte Sam. »Sie wohnt bei uns, solange meine Frau verreist ist.«
    »Und kümmert sich um deinen kleinen Jungen?«, fragte Billie. »Joshua?«
    »So ist es.«
    »Um sieben, wenn es ihr recht ist?«
    »Geht klar«, sagte Sam.

16.
    11. Mai
    Grace’ Vortrag über »Irrationale Ängste und Phobien bei jungen Teenagern« begann um neun Uhr morgens am vorletzten Tag der Konferenz.
    Sie war nervös vor Anspannung, und ihr Puls raste. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen, beschwor eines ihrer Lieblingsbilder von Sam und Joshua beim Spielen herauf und ließ den Blick dann übers Publikum schweifen.
    Die Zuhörer, deren Gesichter sie sehen konnte, blickten sie erwartungsvoll an.
    Okay, sagte sie sich, dann mal los. Zeig ihnen, was du draufhast.
    »Ehe ich zur Sache komme, möchte ich etwas vorwegschicken«, begann sie. »Der Titel meines Vortrags ist ein wenig irreführend. Eine der Definitionen des Begriffs ›irrational‹ nach dem Merriam-Webster-Wörterbuch lautet, ›nicht auf der Vernunft beruhend‹.«
    Sie hielt einen Moment inne, suchte sich ein einzelnes Gesicht aus der ersten Reihe heraus.
    Weiblich, um die vierzig, anonym.
    Sie sprach die Frau an.
    »Mir scheint«, fuhr sie fort, »dass jeder junge Mensch eine nicht berechenbare Anzahl von Gründen haben kann, irgendeine Angst zu empfinden. Ein sich entwickelnder Mensch zu sein, ist faszinierend und erschreckend zugleich. Selbst die Teenager, die am ehesten imstande sind, sich nach außen hin hart zu geben – diejenigen, die alles spielend zu bewältigen scheinen –, sind tief im Innern oft sehr verängstigt. Mir jedenfalls ist es so ergangen.« Sie blickte die Frau an. »Wie ist es bei Ihnen?«

*
    In dem langen, schmalen Foyer vor dem Konferenzsaal sah und hörte ein junger Mann durch die leicht geöffneten Glastüren zu.
    Und lächelte.
    Er hatte gewelltes braunes Haar und eine randlose Brille, und er trug einen gut geschnittenen grauen Anzug, eine blaue Seidenkrawatte und perfekt polierte Schuhe.
    Eine Frau mittleren Alters in einem marineblau und weiß getupften Kleid kam aus dem Saal, mit bedächtigen, leisen Schritten, um die Rednerin oder ihr Publikum nicht zu stören. Der junge Mann hielt ihr die Tür auf, und sie nickte zum Dank.
    Er schlüpfte in den Saal, zückte sein Handy.
    Hörte und sah weiter zu.
    Und machte von Zeit zu Zeit unauffällig Fotos.

17.
    Sam rief Grace an, bevor er duschte.
    Es war zwanzig nach fünf morgens in Miami, zwanzig nach zehn in Zürich.
    Sie nahm beim ersten Klingeln ab und sagte ihm, sie habe sehnsüchtig gehofft, dass er anrufen würde, was ihn überglücklich machte. Eine Trennung hatte zwar auch etwas für sich, aber in Sams Fall nur, solange sie von kurzer Dauer war.
    »Es ist noch früh«, sagte Grace. »Du solltest schlafen.«
    »Ich sollte lieber mit meiner Frau reden«, erwiderte Sam. »Wie ist es gelaufen?«
    »Ganz gut, würde ich sagen.«
    »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. War es eine interessante Diskussion?«
    »Mehr als das«, sagte sie. »Eine echte Hin-und-her-Debatte. Durch und durch interaktiv.«
    »Also war es besser als ›ganz gut‹«, sagte Sam. »Glückwunsch, Gracie.«
    »Was macht Joshua?«
    »Er schläft noch wie ein Engel. Wie war das Dinner? Wo seid ihr gewesen?«
    »In einem großartigen Fischrestaurant. Die Leute hier sind wirklich nett. Aber ich vermisse dich sehr.«
    »Ich vermisse dich auch, mein Schatz. Ich kann es kaum noch erwarten bis Freitag.«
    »Geht es Claudia gut?«
    »Bestens«, sagte Sam. »Übrigens, ich musste sie bitten, heute Abend meine Anstandsdame zu spielen.«
    »Warum das denn?«
    »Billie Smith will vor der nächsten Probe ein paar Szenen mit mir durchgehen.«
    »Sie ist sicher jung und hübsch.«
    »Sie ist die Tochter eines alten Schulfreundes«, sagte Sam. »Aber jung und hübsch ist sie auch.«
    »Da bin ich aber froh, dass Claudia die Anstandsdame spielt.«
    »Du machst Witze.« Sam lachte auf. »Ich bin alt genug, um ihr Vater zu sein, schon vergessen?«
    »Aber trotzdem ziemlich gut aussehend für einen alten Herrn. Und deine Augen sind immer noch gut.«
    Sam hörte übers Telefon, wie jemand etwas zu Grace sagte.
    »Ich muss jetzt los«, sagte sie. »Ich

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