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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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zwischen diesem und dem letzten Tatort, denn dieses Verbrechen war erst kürzlich begangen worden, vielleicht vor ein, zwei Stunden.
    Und das war nicht der einzige zeitliche Unterschied. Zwischen den ersten drei Morden hatte jeweils etwa ein Monat gelegen. Im April war nichts geschehen. Und jetzt hatte es zwei Morde in weniger als einer Woche gegeben. Hieß das, dass der Killer in einen immer schlimmeren Rausch verfiel? Allerdings gab es hier, in dieser sorgfältig arrangierten Szenerie, keine Anzeichen für einen Kontrollverlust beim Täter. Was war es dann? Wollte er die verlorene Zeit wettmachen? Wenn die Unterbrechung im März gewesen wäre, zeitgleich mit den Frühjahrsferien, dann hätten sie vielleicht einen Lehrer oder anderen Schulangestellten in Betracht gezogen, aber so …?
    Sam schob diese Gedanken beiseite und wandte sich wieder dem zu, was vor ihnen lag.
    Die Ballistik würde vermutlich bestätigen, dass die Wunden von derselben Waffe stammten wie bei den Morden zuvor.
    Nur die seltsamen Spitzendeckchen tauchten zum ersten Mal auf. Für Sam machten sie die ganze Sache noch ein bisschen skurriler.
    Und wieder lag dieser seltsame Geruch in der Luft, erkannte Sam. Er überlagerte den Geruch nach verbrannten Federn, der von dem Kissen stammte, das der Täter vermutlich als Schalldämpfer benutzt hatte – ein Federkissen anstatt Schaumstoff, wenn auch höchstwahrscheinlich nur deshalb, weil es gerade zur Hand gewesen war.
    Aber diesmal erkannte Sam den anderen Geruch.
    Aceton.
    »Hat hier sonst noch jemand Aceton gerochen?«, fragte er.
    Elliot Sanders wies mit einem Nicken auf die Füße des Opfers, die leuchtend rosa lackierten Zehennägel.
    »Kürzlich aufgetragen?«, fragte Sam, während er sich zu erinnern versuchte, ob Amelia Newtons Zehen- oder Fingernägel lackiert gewesen waren.
    »Nicht heute Morgen«, antwortete der Gerichtsmediziner.
    »Dieser Geruch hängt jedes Mal in der Luft«, bemerkte Martinez. »Ich habe ihn noch nie gemocht.«
    »Das heißt, der Mörder kann den Nagellack nicht aufgetragen haben?«, fragte Sam den Gerichtsmediziner.
    Sanders warf noch einmal einen Blick auf die Zehen des Opfers. »Nein. Er ist zu hart, als dass er vor so kurzer Zeit aufgetragen worden sein könnte. Es sei denn, der Killer war die ganze Nacht oder noch länger hier.« Er hielt einen Moment inne, bevor er mit bitterer Ironie hinzufügte: »An Klebstoffschnüffeln ist die Frau jedenfalls nicht gestorben.«
    »Ist sie mit Medikamenten betäubt worden?«, fragte Sam.
    »Das erfährst du, sobald ich es weiß«, erwiderte Sanders. »Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass sie gezwungen wurde, irgendetwas zu schlucken.«
    Joe Duval, der kurz nach den Detectives aus Miami Beach eingetroffen war, betrat mit sorgenvoller Miene das Zimmer.
    »Was ist passiert?«, fragte Sam.
    »Felicia Delgado wird vermisst«, sagte Duval. »Die Tochter.«

30.
    Carlos Delgado hatte sich so weit erholt, dass er wieder halbwegs verständlich sprechen konnte, doch er war noch immer tief erschüttert.
    Kein Wunder. Der Mann hatte seine Exfrau brutal ermordet vorgefunden.
    Sam musterte Delgado und fragte sich unwillkürlich, wie tief dessen Verzweiflung wirklich ging.
    Jeder konnte »markerschütternd« schreien, dass die Nachbarn es hörten. Jeder konnte den Verzweifelten markieren und das Gesicht in den Händen vergraben.
    Delgado war sehr viel ruhiger als noch vor einer halben Stunde.
    Keine Tränen, keine Verzweiflung, keine Suche nach Trost.
    Keine Vorwürfe gegen Gott und das Schicksal, keine Fragen an die Ermittler.
    Schon erstaunlich.
    Sam warf einen Blick auf Martinez und wusste, dass ihm das Gleiche durch den Kopf ging.
    Jeder reagierte anders auf eine Tragödie. Aber selbst für einen Exehemann hatte Carlos Delgado sich erstaunlich schnell wieder gefasst – vor allem, wenn man bedachte, dass das Mordopfer, die Mutter seines Kindes, so brutal und grotesk abgeschlachtet worden war.

*
    Delgados Aussage war stimmig.
    Als seine vierzehnjährige Tochter Felicia an diesem Morgen nicht zum Unterricht in der St. Thomas Aquinas Middle School – keine zwei Meilen entfernt – erschienen war, hatte die Schulverwaltung bei ihr zu Hause angerufen. Weil niemand abnahm, hatte man ihren Vater in seinem Büro kontaktiert.
    Dieser Teil der Geschichte war bereits bestätigt worden. Felicia hatte in den vergangenen beiden Tagen zweimal in der Schule gefehlt, als ihre Mutter mit ihr zu Arztterminen gegangen war, aber Mrs. Delgado, hieß

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