Blinde Seele: Thriller (German Edition)
es, hätte immer um Erlaubnis gebeten oder die Schule informiert, wenn Felicia krank war.
»Sie haben einen Schlüssel zu diesem Haus, Sir?«, fragte Sam nun.
»Ja«, sagte Delgado. »Es gehört mir. Außerdem wollte meine Frau, dass ich einen Schlüssel behalte.« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich habe versucht, Beatriz anzurufen. Dann bin ich hergekommen, um zu sehen, was los ist, und …« Seine Lippen bebten. »Den Rest kennen Sie.«
»Und Sie haben keine Ahnung, wo Ihre Tochter sein könnte?«, fragte Sam.
»Wenn ich das wüsste.« Wieder schüttelte er den Kopf. »Ich habe schreckliche Angst um sie.« Das Entsetzen in seinen dunklen Augen schien nicht vorgetäuscht zu sein. Allerdings kam es vor, dass Mörder über sich selbst entsetzt waren.
Vor allem bei Verbrechen aus Leidenschaft.
Und Sam hatte das Gefühl, dass dieser Mann irgendetwas zurückhielt.
Es machte keinen Sinn, ihn als möglichen Täter in Betracht zu ziehen. Serienkiller vergossen selten Blut vor ihrer eigenen Haustür, es sei denn, sie wurden in die Enge getrieben. Beispielsweise, wenn ihre Exehefrau herausgefunden hatte, was sie taten. Auch wenn sie nach einer solchen Geschichte vermutlich eher vom Tatort flüchten oder vielleicht Selbstmord begehen würden.
Ein Mörder, der das Verbrechen meldete und dann gleich am Tatort blieb, um sich vernehmen zu lassen, erschien Sam und Martinez mehr als unwahrscheinlich.
*
Im Haus wimmelte es bald darauf von Ermittlungsbeamten und Leuten von der Spurensicherung. Duval sorgte am Telefon dafür, dass die Teams in Orlando, Jupiter, Naples und Fort Lauderdale auf dem Laufenden gehalten wurden, auch wenn dieser Fall zu Miami Beach gehörte.
Martinez fragte Delgado, wo er am Abend zuvor, in der Nacht und am frühen Morgen gewesen sei.
»Sie machen Witze«, sagte Delgado, als ihm klar wurde, was er gefragt worden war.
»Reine Routine, Sir«, versicherte ihm Sam.
»Ich habe kein Alibi«, sagte Delgado. »Falls Sie das meinen.«
»Es würde uns bei den Ermittlungen helfen, wenn Sie uns sagen, wo Sie gewesen sind, Sir«, erklärte Martinez.
»Um Sie als Täter ausschließen zu können«, fügte Sam hinzu.
»Ich war allein«, erklärte Delgado. »Zu Hause.«
»Und wo wohnen Sie, Sir?«, fragte Martinez und zückte einen Notizblock.
Wie sich herausstellte, wohnte Carlos Delgado in einer Eigentumswohnung am Country Club Drive in Aventura, gegenüber dem Golfplatz. Er war ein wohlhabender Immobilienmakler.
»Gestern Abend habe ich mir ein Basketballspiel angesehen, Miami Heat gegen die Boston Celtics, und habe dabei eine Pizza gegessen. Nach dem Spiel bin ich zu Bett gegangen. Und von heute Morgen habe ich Ihnen ja schon berichtet.«
Martinez fragte Delgado, ob er sich die Pizza ins Haus habe liefern lassen.
Delgado schüttelte den Kopf. »Sie war in meinem Gefrierfach.«
Keine Möglichkeit, irgendetwas davon zu bestätigen.
Sie baten Delgado um seine Kooperation bei der Abnahme von Fingerabdrücken und einem DNA-Abstrich und versicherten ihm, dass beides lediglich dazu diene, ihn als Täter ausschließen zu können.
»Da Sie einen Schlüssel zu diesem Haus besitzen, sind Sie vermutlich regelmäßig hier, oder?«, fragte Sam.
»Regelmäßig nicht«, antwortete Delgado. »Aber natürlich komme ich ab und zu her, wegen Felicia.« Er erhob sich. »Wer sucht denn nun nach meiner Tochter, während wir hier Zeit verschwenden?«
»Jeder Streifenpolizist und Ermittlungsbeamte im gesamten County ist informiert, Sir«, sagte Sam.
»Sie werden Ihre Tochter finden«, sagte Martinez.
Es sei denn, du hast ihr etwas angetan, fügte Sam in Gedanken hinzu, ehe er und Martinez die Befragung fortsetzten.
31.
Der letzte Tag der Konferenz war um fünf Uhr zu Ende gegangen. Es war alles in allem eine gute Erfahrung für Grace gewesen. Sie hatte ausgezeichnete Redner gehört, hatte einfühlsame Kollegen aus vielen Ländern kennengelernt und anregende Debatten geführt wie seit Jahren nicht. Dabei hatte sie durch ihr Fachwissen imponiert, wenn sie Dr. Mettlers und Stefan Mainz’ Komplimenten glauben durfte.
Nun aber konnte sie es kaum erwarten, nach Hause zu fliegen.
Die Konferenz war offiziell zu Ende, aber für Grace war sie noch nicht ganz vorbei, denn vier ihrer Kollegen kamen zum Abendessen in ihr Hotel. Es war dieselbe Gruppe, mit der sie am Tag zuvor zu Mittag gegessen hatte. Diesmal hatte sich eine italienische Kinderpsychologin dazugesellt.
Ein angenehmer Ausklang.
Als Grace ihre Gäste
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