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Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Blinde Seele: Thriller (German Edition)

Titel: Blinde Seele: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Norman
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wie geheißen, und Toni rutschte mit ihrem Kniekissen in die richtige Position.
    »Ich weiß nicht mal, ob du hier unten Verwandte hast«, sagte Sam.
    Sie schaute für einen Moment von ihrer Arbeit auf und blickte in sein Gesicht.
    Irgendetwas war in ihren Augen.
    Aber was?
    Abrupt zog sie zwei Nadeln aus Sams Hosennaht und steckte sie wieder ins Samtkissen.
    Die Art, wie sie das tat – wie kleine Stiche –, irritierte Sam.
    Irgendetwas stimmte nicht mit ihr.
    »Wie wär’s mit einer Pause?«, schlug er vor. »Ich könnte uns beiden eine Tasse von Lindas Kamillentee machen.«
    »Ich möchte das hier lieber fertig machen.«
    »Okay«, sagte Sam.
    Und dann, auf einmal, wurde ihm klar, dass es nicht nur schlechte Laune war, was er bei Toni spürte.
    Irgendetwas stimmte ganz offensichtlich nicht mit ihr.
    Die Härchen in Sams Nacken stellten sich auf.
    Plötzlich schoss ihm Billie wieder durch den Kopf.
    Sam neigte zu Ahnungen und Bauchgefühlen, und letzten Freitag hatte er etwas in der Richtung verspürt, kurz bevor er zu Billies Wohnung gefahren war, was ihm auch nicht weitergeholfen hatte, ihre vermisste Carmen zu finden.
    Aber jetzt eben, als Toni Petit diese Nadeln in das Kissen gestochen hatte, hatte es Sam unerklärlicherweise wieder durchzuckt.
    Ein mittlerer bis kräftiger Ruck auf der Becket-Skala. Ungefähr 6.0, schätzte er. Nicht annähernd stark genug, um jemanden außer ihm selbst wachzurütteln, aber trotzdem eine Ahnung .
    Die Art Ahnung, die Sam im Laufe der Jahre mehr als einmal weitergeholfen hatte.
    Er holte tief Luft.
    »Toni?«, fragte er.
    »Hm?«
    Sie beugte sich wieder vor, glitt mit beiden Händen über den Stoff an seinem linken Hosenbein und zupfte sanft daran, ohne zu ihm hochzuschauen.
    »Wie gut kennst du Billie eigentlich?«, fragte er, um einen beiläufigen Tonfall bemüht.
    »Nicht sehr gut«, sagte Toni. »Wie offenbar alle anderen hier.«
    »Aber du bist nicht wie die anderen«, sagte Sam.
    »Wieso nicht? Weil ich keine Sängerin bin?«
    »Nein«, erwiderte Sam. »Weil du dich um die Bedürfnisse der Truppe kümmerst. Nicht nur um die Kostüme. Dir fällt als Erste auf, wenn jemand krank oder bedrückt ist.«
    »Kann schon sein«, sagte sie.
    Sie lehnte sich zurück, nahm noch eine Nadel aus dem Kissen und steckte sie in den Saum von Sams Hose. Die Bewegung war glatt und geschmeidig wie immer; dennoch bemerkte Sam ein ganz leichtes Zittern ihrer rechten Hand.
    Seine Ahnung stieg auf 7.0.
    »Deswegen habe ich mich eben gefragt, ob Billie sich dir vielleicht anvertraut hat«, sagte er. »Ich meine, nicht unbedingt kurz vor ihrem Verschwinden, sondern ganz allgemein.«
    Toni ließ sich wieder auf die Fersen sinken. »Das ist nicht gut«, sagte sie und erhob sich mit leisem Stöhnen.
    »Was ist? Geht es dir nicht gut?«, fragte Sam noch einmal.
    »Nein«, sagte Toni. »Es geht mir nicht besonders. Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Schlimme Kopfschmerzen?« Er hatte Mitleid mit ihr.
    »Schlimm genug.«
    »Sind wir denn fertig?«
    »Für heute Abend ja«, antwortete Toni. »Du kannst es ausziehen.«
    Er tat es vorsichtig, reichte ihr die Kleider, stieg wieder in seine Hose.
    »Das Kostüm ist wirklich umwerfend«, sagte er. »Du bist ein Genie, Toni.«
    »Ich versuch’s.«
    Er blickte ihr ins Gesicht und glaubte, die Schmerzen sehen zu können, über die Toni sich beklagt hatte – auch wenn es für ihn einen Moment eher nach Verzweiflung als nach körperlichen Schmerzen aussah.
    Die Anzeige auf der Becket-Skala stieg wieder auf 8.0.
    »Toni …«, begann er.
    »Nein«, sagte sie. »Bitte.«
    Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich ab, das Kostüm noch immer in der Hand, ging aus der Garage in den Garten und ließ ihn mit einem unerklärlichen Frösteln zurück.
    Er wartete drei Minuten, bevor er ihr folgte.
    Die Probe war inzwischen wieder im Gange. Don José sang mit Micaëla. Holdens Hals schien es etwas besser zu gehen, und Carlas Stimme war wunderschön, und falls sie mit dem Herzen nicht wirklich bei dieser Rolle war, weil sie sich die Titelpartie in den Kopf gesetzt hatte, konnte ihr jedenfalls niemand vorwerfen, nicht alles für die Truppe zu geben.
    Toni stand am Tisch, ein Wasserglas in der Hand. Vermutlich hatte sie Schmerztabletten genommen, und vielleicht war es ja wirklich nicht mehr als das. Vielleicht konnte Sam auf weniger als 2.0 herunterschalten. Vielleicht war es eher eine reflexartige Reaktion als auch nur die winzigste Ahnung.
    »Hey.« Er dämpfte seine Stimme, als er

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