Blinde Seele: Thriller (German Edition)
wenigstens irgendwo etwas essen gehen.«
Wie aufs Stichwort knurrte Davids Magen, und er lachte.
»Da könntest du recht haben«, sagte er.
95.
Seit mehreren Minuten war Sam sich ziemlich sicher, dass er selbst verfolgt wurde.
Auf einem viel befahrenen Highway war es immer schwer, so etwas mit Sicherheit festzustellen, aber er hatte den Eindruck, dass der Fahrer des betreffenden Wagens sich alle Mühe gab, nah an ihm dranzubleiben, aber nicht zu nah, und dass er immer wieder hinter anderen Wagen in Deckung ging.
Ein Amateur, das auf jeden Fall.
Ein weißes Auto.
Beliebte Farbe.
Sam ignorierte ihn, konzentrierte sich nach wie vor auf Tonis Wagen.
Drei Fahrzeuge waren jetzt zwischen dem Saab und dem Honda, als er sah, wie Tonis rechter Blinker ging.
Gleich kam eine Ausfahrt.
Vielleicht wollte sie nach Miami Beach.
Sam nahm die Abzweigung nach rechts, warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass der weiße Wagen ihm noch immer folgte. Nur ein Pick-up war zwischen ihnen.
Allmählich machte der weiße Wagen ihn nervös.
*
Toni fuhr nicht nach Miami Beach, sondern bog rechts auf den West Hallandale Beach Boulevard und dann links auf die NW 2nd Avenue ein. Sam fuhr ihr hinterher, dicht gefolgt von seinem eigenen Beschatter.
Und dann, in der Foster Avenue, in einer stillen, düsteren Gegend von Hallandale, die weder Sam noch ein anderer Cop je freiwillig allein aufsuchen würde, kam der Honda zum Stehen.
Sam bremste ein paar hundert Meter weiter hinter ihm langsam ab.
Er beobachtete, wie Toni Petit aus dem Wagen stieg und die Tür abschloss. Sie ging auf ein baufällig aussehendes kleines Haus zu, deutlich zurückgesetzt von der Straße, und trat ein, nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, soweit Sam erkennen konnte.
Sam fuhr im Schritttempo weiter, wobei er einen Blick in den Rückspiegel warf.
»Verdammt noch mal«, sagte er.
Er trat auf die Bremse, stieg aus dem Saab und sprintete zurück zu dem anderen Wagen.
Ein weißer Ford-Focus-Mietwagen.
Wut stieg in ihm auf.
»Steigen Sie aus«, sagte er zu dem Fahrer.
Chauvin öffnete langsam die Tür und gehorchte.
Die zwölf Zentimeter Größenunterschied zwischen ihnen schienen auf einmal sehr viel mehr zu sein.
»Ich weiß«, sagte er. »Und es tut mir leid.«
»Was glauben Sie eigentlich, dass Sie da tun?«, fuhr Sam ihn an.
»Mich wie ein Arschloch benehmen, fürchte ich.« Chauvin war kleinlaut.
»Da haben Sie vollkommen recht«, sagte Sam. »Was sind Sie, acht Jahre alt?«
»Ich habe mich ein bisschen hinreißen lassen«, murmelte der Franzose. »Ich nehme an, ich war wie im Rausch, wissen Sie.«
»Nein, weiß ich nicht«, sagte Sam. »Und ich weiß auch nicht, was Sie heute in meinem Haus und in der Wohnung meiner Tochter zu suchen hatten. Aber darüber werden wir beide noch früh genug reden. Jetzt will ich einfach nur, dass Sie wieder in den Wagen steigen und Ihren Hintern zurück nach Surfside bewegen, sonst werde ich dafür sorgen, dass Sie mit einem Arschtritt aus diesem Land fliegen.«
»Darf ich fragen, was …«
»Nein«, sagte Sam.
»Einfach in den Wagen steigen, ja?«
»Ja. Und zwar jetzt. «
96.
David hatte die Klinik verlassen, um einen Happen zu essen.
Jetzt war er hungrig. Essen war mit einem Mal zu einer Metapher für all das Gute im Leben geworden, das er bald wieder mit seiner Frau teilen wollte. Einer Frau, die zäh genug war, um sich jahrelang allein auf der Straße durchzuschlagen, und zugleich empfindsam genug, dass ein kleiner Eingriff ihr schwer zu schaffen machte.
Eine Untertreibung, denn es war eine Angst beinahe phobischer Ausmaße gewesen. Und doch hatte sie, mit ein bisschen Hilfe und Ermutigung, auch das geschafft.
Eine tolle Frau.
Deshalb konnte er jetzt in Ruhe etwas essen. Jetzt, wo er auf einmal am Verhungern war.
David dachte an Koteletts. Mit Kartoffelpüree und vielleicht einem Glas Wein.
Mildred ging es gut.
Das war ein Grund zum Feiern.
Erst recht, sobald sie beide nach Hause kamen.
97.
Mildred schlief.
Träumte.
In ihrem Traum saß sie auf dem glatten Sand am South Beach, ganz allein, während sie zusah, wie sich zwei Männer langsam von ihr entfernten. Der eine war ziemlich alt, der andere jung, aber beide gingen gleichmäßig, miteinander Schritt haltend. Es waren Donny, ihr verstorbener Verlobter, und David.
Sie verließen sie, aber Mildred war nicht traurig deswegen. Sie war zu gebannt von dem, was am Himmel geschah, um den Blick weiter auf die beiden Männer zu
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