Blinde Seele: Thriller (German Edition)
könnte. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Haus zu.
Von hier draußen konnte er nichts sehen oder hören. Keinen Fernseher, keine Unterhaltung, keine Musik, keine offenen Fenster.
Das ungute Gefühl ließ ihn noch immer nicht los.
Er musste sich Gewissheit verschaffen.
So langsam wurde es Zeit, sich zu überlegen, was er zu Toni sagte, wenn er an ihre Tür klopfte.
Falls es überhaupt ihre Tür war.
99.
David drückte zum zweiten Mal auf die falsche Kurzwahltaste seines Handys.
»Scheißding.«
»Achte auf deinen Blutdruck«, sagte Mildred vom Bett aus. Er hatte ihr den Augenschutz sorgfältig wieder umgebunden. »Es geht mir gut.«
»Wo steckt Adams, verdammt noch mal?«
»Vermutlich ist er zu Hause«, sagte Mildred, »oder er sitzt in irgendeinem Restaurant bei einem schönen Abendessen. Ich bin mir sicher, er wird kommen, sobald er seine Nachrichten abhört.«
Die Tür ging auf.
David schnellte herum.
Es war weder Wiley noch Adams, sondern eine blonde junge Schwester in einer hellblauen Uniform, die sich erkundigte, ob sie irgendetwas bräuchten.
»Ja«, sagte David. »Wir brauchen Dr. Adams.«
»Dr. Adams ist nicht im Dienst«, erwiderte die Schwester, »aber wir haben zwei andere Diensthabende …«
»Wir brauchen Ethan Adams hier, Schwester, und zwar sofort.« Davids Stimme war scharf. »Ich habe die Vermittlung bereits aufgefordert. Jetzt fordere ich Sie auf, Ihren Chef davon zu verständigen, dass es einen tätlichen Angriff gegen meine Frau – seine Patientin – durch einen seiner Ärzte gegeben hat und dass ich die Polizei rufen werde.«
Die Schwester trat noch einen Schritt ins Zimmer. »Sind Sie verletzt, Ma’am?«
»Ich glaube nicht«, sagte Mildred. »Mein Mann ist Arzt, deshalb …«
»Tun Sie bitte, was ich sage, Schwester, und suchen Sie Dr. Adams«, drängte David.
»Ich werde sehen, was ich tun kann, Sir.«
»Aber schnell , bitte!«, fuhr David sie an.
Die junge Frau warf ihm einen feindseligen Blick zu und verschwand.
»Du liebe Güte«, sagte Mildred. »Ich glaube, ich habe dich noch nie wirklich brüllen hören.«
David schüttelte den Kopf, wandte sich wieder dem Handy zu und drückte auf Sams Kurzwahltaste.
100.
Sam war einen knappen Meter vom Fußweg zum Petit-Haus entfernt, als das Handy in seiner Tasche vibrierte.
Er nahm den Anruf entgegen. »Dad? Was ist los?«, fragte er mit leiser Stimme.
»Nichts Schlimmes, keine Sorge«, antwortete David. »Mildred geht es gut. Aber wir hatten hier ein Problem.«
»Was für eins?« Sam zog sich ein paar Schritte zurück. »Dad, ich habe gerade viel zu tun. Kann das nicht warten?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte David. »Einer der jungen Ärzte hier, ein Mann namens George Wiley, hat Mildred tätlich angegriffen.«
»Er hat was?« Geschockt zog Sam sich noch weiter in die Dunkelheit rechts neben dem Haus zurück. »Ist sie verletzt?«
»Nein. Aber dieser Kerl hat sie halb zu Tode erschreckt.«
»Sag Samuel bitte, dass es mir gut geht«, hörte er Mildreds Stimme im Hintergrund.
»Es geht ihr soweit gut«, sagte David. »Hör zu, mein Sohn, ich habe den Leuten hier gesagt, sie sollen Dr. Adams holen und dass ich die Polizei verständige, aber ich wollte es zuerst dir sagen.«
»Na klar.« Sams Gedanken überschlugen sich. »Wie ich dir eben schon sagte, Dad, ich habe im Moment zu tun. Aber die Klinik fällt in meine Zuständigkeit. Ruf Sergeant Riley an oder Lieutenant Alvarez. Ich bin mir nicht sicher, wo Martinez im Augenblick steckt, aber selbst wenn er da wäre, würde ich lieber nicht riskieren, dass er gegenüber diesem Doktor die Beherrschung verliert.«
»Wie lange bist du noch beschäftigt?«
»Schwer zu sagen«, antwortete Sam. »Hast du die Nummern von Riley und den anderen?«
»Gleich hier in meinem Handy, wo du sie gespeichert hast«, antwortete David. »Ich werde es zuerst bei Beth Riley versuchen. Ich möchte Mike Alvarez nicht belästigen.«
»Es wird ihm nichts ausmachen«, versicherte ihm Sam. »Keinem von beiden.«
»Ich wäre trotzdem froh, wenn du vorbeikommen könntest, sobald du frei bist, mein Sohn.«
»Ich komme, so schnell ich kann«, versprach Sam.
Er schaltete sein Handy stumm.
Ging zurück zur Haustür und klopfte.
Wartete einen Moment, klopfte dann noch einmal.
Er hörte gedämpfte Geräusche. Stimmen. Dann Bewegung.
»Wer ist da?«
Tonis Stimme.
»Ich bin’s, Sam Becket.«
Ein paar Sekunden Schweigen, dann: »Was tust du denn hier, Sam?« Ihr Tonfall war
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