Blinde Seele: Thriller (German Edition)
da?«, fragte Mildred erschrocken.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, seien Sie nicht albern, Mrs. Becket.«
Und dann sah sie mit ihrem anderen, besseren Auge, dass er irgendeine Art Instrument in der rechten Hand hielt.
»Nehmen Sie das Ding weg!«
Der Arzt beugte sich noch näher vor, und auf einmal wusste Mildred, dass sie etwas tun musste, was sie nie zuvor getan hatte.
Sie schrie und stieß ihn von sich weg. Während er stolperte, traf er sie mit der linken Hand am operierten Auge. Mildred kreischte auf.
»Sie dumme Frau!«, fauchte Wiley.
Die Tür ging auf.
»Was geht hier vor?« David nahm die Szene in sich auf. Er sah, wie seine Frau sich in die Kissen duckte, während der junge Arzt über ihr stand. »Was tun Sie da, um Himmels willen?«
Wiley trat einen Schritt vom Bett zurück und steckte die rechte Hand in die Kitteltasche. »Ihre Frau ist völlig außer sich«, stieß er hervor. »Ich weiß gar nicht, was mit ihr los ist.«
»Er hatte etwas in der Hand, David.« Mildred schnappte nach Luft. »Irgendein Instrument. Ich konnte sehen, dass er mir damit ins Auge stechen wollte, deshalb habe ich geschrien und ihn weggestoßen, und seine Hand … seine Knöchel … haben mich am Auge getroffen.«
»Unsinn.« Wiley lächelte David an. »Ich nehme an, Ihre Frau hatte einen Albtraum. Ich habe gesehen, dass sie sich den Schutz vom Auge gezogen hatte und wollte sichergehen, dass sie sich nicht verletzt hat.«
»Das ist eine Lüge«, protestierte Mildred. »Ich habe geschlafen, bis Sie mich geweckt, meinen Puls gemessen und in mein anderes Auge geleuchtet haben.« Sie spürte, wie irgendetwas aus ihrem operierten Auge sickerte, stöhnte auf, hob die Hand …
»Nicht anfassen«, sagte David. »Es sieht okay aus, aber fasse es besser nicht an.«
Seine Stimme bebte vor Zorn. Am liebsten hätte er Wiley die Faust ins Gesicht geschlagen. Das Einzige, was ihn zurückhielt, war die Gewissheit, dass es Mildred nichts nützen würde.
»Ich würde gern dieses Instrument sehen«, sagte er.
Wiley lachte. »Es gibt kein Instrument.«
David wandte sich um und drückte auf den roten Notrufknopf an der Wand.
»Das ist völlig unnötig«, sagte Wiley. Jede Spur von Humor war aus seiner Stimme verschwunden. Jetzt flackerte Wut in seinen grauen Augen.
Und noch etwas anderes.
Der junge Arzt sah überrumpelt aus.
David nahm das Telefon von Mildreds Nachttisch, drückte die Null und wartete kurz. »Ist dort die Vermittlung? Sie müssen Dr. Adams finden«, sagte er. »Ja, sofort! Außerdem werde ich die Polizei verständigen, um einen tätlichen Angriff zu melden.«
Mit bleichem Gesicht verließ Dr. Wiley den Raum.
98.
Sam blieb auf Abstand. Er benutzte das kleine Nachtsichtmonokular, das Saul ihm letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte, um sich das Haus, das Toni Petit soeben betreten hatte, genauer anzusehen.
Einstöckig, Rahmenbau, Schindeldach, mit einem Stück unbebautem Land rechts daneben und, wie es aussah, zwei Garagen.
Er trat näher.
Im vorderen Teil des Hauses brannte Licht, während im hinteren Bereich alles dunkel war.
Sam steckte das Monokular ein, zückte sein Handy und rief noch einmal Martinez an, erreichte aber nur die Voicemail. Er nannte seinen Standort und sagte, er würde jetzt ins Haus gehen, um mit Toni Petit zu reden.
»Übrigens, unser französischer Kumpel spielt gerne Polizist«, fügte er hinzu. »Ich habe ihn dabei ertappt, wie er mich bis hierher verfolgt hat. Am liebsten hätte ich dem kleinen Idioten einen Tritt in den Arsch gegeben. Er ist jetzt weg. Ich rufe dich später wieder an.«
Es steckte das Handy ein, zog es dann aber wieder hervor und wählte Joe Duvals Nummer.
Wieder erreichte er nur die Voicemail. Nahm denn niemand mehr ab?
»Hallo, Joe. Sam Becket hier. Könnte sein, dass ich deine Hilfe brauche. Es hat nichts mit unserem Fall zu tun, und ich bin hier auch nicht zuständig, aber trotzdem … ich hab ein ungutes Gefühl. Ich bin gerade einer Frau namens Toni Petit zur Foster Avenue in Hallandale gefolgt …«
Er berichtete kurz und knapp, dass Billie Smith ihm am Donnerstag, dem Neunzehnten, seltsam vorgekommen sei und dass sie seitdem vermisst wurde. Dann erzählte er von seinem – vermutlich unbegründeten – Verdacht gegen Toni, dass sie irgendetwas über die Vermisste wissen könnte.
Er nannte die Adresse, beendete den Anruf, sah noch einmal die Straße hinunter und schaute sich nach Chauvins weißem Wagen oder sonst jemandem um, der ihn beobachten
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