Blinde Seele: Thriller (German Edition)
lehnte sich für einen Moment an ihre Schulter, riss sich dann aber abrupt wieder los. Mit einem Mal war das ganze Entsetzen in ihren weit aufgerissenen Augen zu sehen.
»Aber diese Frau hat gesehen, wie ich sie angeschaut habe«, sagte sie. »Und dann hat sie mich gewarnt … mit dem Finger auf ihren Lippen und dann auf ihren Augen . Sie hat mir zu verstehen gegeben, dass ich nicht über sie reden soll. Aber jetzt habe ich es Ihnen gesagt, und das hätte ich nicht tun sollen.«
Die Worte vibrierten in der einsetzenden Stille, in die Länge gezogen vom Grauen.
»Es ist schon gut«, sagte Grace sanft. »Du bist in Sicherheit.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fragte Felicia. »Ich glaube, ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass sie mich finden. Wenn sie dahinterkommen, dass ich es Ihnen gesagt habe, werden sie vielleicht einen Weg finden, mir dasselbe anzutun wie meiner Mom.«
128.
»Wie lautet das Urteil?«, fragte Mildred.
Dr. Adams’ Untersuchung war vorsichtig und behutsam gewesen; trotzdem wunderte sich Mildred, dass sie so ruhig war. Zum Teil lag es an der Erschöpfung, nahm sie an, die ihre Sinne betäubte, denn es war fast ein Uhr morgens, und sie hatte an diesem Tag eine Vollnarkose gehabt, ganz zu schweigen von den Ereignissen der letzten Stunden.
Aber hauptsächlich, begriff sie, war es eine Frage der Relativität. Weil es danach eine solche Erleichterung war, in sicheren Händen zu sein. Was für sich schon ein kleines Wunder war: Sie akzeptierte, dass Ethan Adams’ Hände ihr Gutes wollten.
Der Chirurg setzte sich und blickte hinüber zu David, der noch immer angespannt am Fenster stand. »Warum setzen Sie sich nicht auch, Dr. Becket?«
David rührte sich nicht. »Hat er ihr Schaden zugefügt?«
»Erstaunlich wenig«, sagte Ethan Adams.
Mildred atmete erleichtert auf.
»Bitte fahren Sie fort«, sagte David.
»Sie hat wahrscheinlich eine leichte Entzündung«, fuhr Dr. Adams fort, »aber ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass kein ernster Schaden entstanden ist. Aber selbst wenn«, ergänzte er beschwichtigend, »hätten wir ihn beheben können.«
»Und was nun, Doktor?«, fragte Mildred.
»Ich werde die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten, denn wie Sie bereits wissen, kann es in sehr seltenen Fällen nötig sein, die Intraokularlinse neu zu positionieren oder zu ersetzen, wenn sie verrutscht ist oder nicht so funktioniert, wie sie sollte.« Er hielt einen Moment inne. »Ich muss Ihnen einschärfen, Mrs. Becket, wie wichtig es ist, dass Sie mir von allen Symptomen berichten und dass Sie zu jeder Kontrolluntersuchung erscheinen, denn falls Probleme auftreten, könnte eine Verschleppung zu einem gewissen Sehverlust führen. Aber solange Sie weiterhin zu mir kommen«, fügte er hinzu, »wird das nicht geschehen.«
Schließlich kam David zum Bett, zog sich den Stuhl heran, setzte sich und nahm Mildreds Hand. »Gute Neuigkeiten«, sagte er.
»Oh ja«, sagte sie.
»Nun«, sagte Adams. »Ich muss Sie fragen, ob Sie bereit sind, zu den Kontrolluntersuchungen zu mir zu kommen. Oder würden Sie lieber irgendwo anders hingehen? Ich würde Sie nur sehr ungern als Patientin verlieren, aber in Anbetracht der Umstände würde ich das natürlich verstehen.«
»Wir werden darüber nachdenken, irgendwo anders hinzugehen«, sagte David.
»Ich wüsste nicht, warum wir das tun sollten«, erklärte Mildred, »solange dieser Mann nirgends zu sehen ist.«
»Wiley wird ins Gefängnis kommen«, sagte David, »wenn ich dafür sorgen kann.«
Adams nickte. »Ich nehme an, Sie werden wegen dieses Vorfalls einen Anwalt konsultieren.«
»Ja, wahrscheinlich«, sagte David.
Mildred presste für einen Moment die Lippen zusammen, sagte sich dann aber, dass diese Auseinandersetzung warten konnte.
»Am liebsten«, erklärte sie, »würde ich nach Hause fahren.«
»Aber natürlich nicht jetzt«, sagte Dr. Adams.
Mildred schüttelte den Kopf. »Wohl kaum. Aber morgen früh?«
»Wir werden sehen«, sagte Dr. Adams. »Ich möchte, dass Sie sich ein paar Stunden möglichst still halten.«
»Aber Sie sagten doch, es sei kein Schaden entstanden«, sagte Mildred.
»Nur die Entzündung«, wiederholte der Arzt. »Ich möchte, dass Sie mir versprechen, sich heute Nacht auszuruhen, und ich will morgen noch einmal nach Ihnen sehen, bevor ich Sie entlasse. Und wenn Sie nach Hause kommen, vermeiden Sie es, sich zu viel zu bücken oder schwere Gegenstände zu heben.«
»Ich habe das Gefühl«, sagte
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