Blinde Wahrheit
geknurrt.
Doch dieses Verhalten richtete sich nicht gegen sie – das wusste Lena.
Er hatte irgendetwas gesehen … oder irgendjemanden.
»Komm, Dicker«, sagte sie, während sie die Straße wieder zurückgingen. Er folgte ihr bereitwillig, sein großer Körper warm und zuverlässig an ihrer Seite, blieb ganz dicht neben ihr, als wollte er ihr sagen, dass er es nicht zulassen würde, falls sie ihre Meinung erneut änderte – oder die Richtung.
»Was hat er denn?«
Lena wandte Hope das Gesicht zu, ohne genau zu wissen, was sie sagen sollte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und murmelte schließlich: »Ich bin mir nicht ganz sicher.«
Sie spürte immer noch jene Blicke, die sich ihr in den Rücken bohrten.
»Irgendwas oder irgendwer hinter uns beunruhigt ihn. Er wollte nicht, dass ich noch näher herangehe.« Sie erahnte Hopes Reaktion und umfasste deren Arm fester. »Dreh dich nicht um. Wer auch immer da sein sollte, sieh nicht hin. Wahrscheinlich bin ich ihnen ziemlich egal«, Lügnerin , »und Puck sicherlich auch, aber sie sollten besser nicht glauben, dass du nach ihnen Ausschau hältst.«
Sie log. Das war ihr bewusst. Wer auch immer sie beobachtete, sie war ihm alles andere als egal.
Aber derjenige würde sie nicht für eine Gefahr halten. Schließlich konnte sie bei einer Gegenüberstellung auf niemanden zeigen. Nein, Lena mochte er zwar mit brennendem Interesse beobachten, aber er hatte auch Hope gesehen, und wenn er glaubte, sie könnte ihn bemerkt haben …
»Mist«, flüsterte sie. Ihr zog sich vor Angst der Magen zusammen. Was zum Teufel war bloß los?
Sie hörte Hope nervös schlucken, bemerkte die Unsicherheit in deren Stimme. »Da vorn sind Law und Ezra. Sie kommen auf uns zu – und zwar ziemlich schnell. Law sieht sauer aus. Und Ezra … er, ähm … er hat den Polizistenblick drauf.«
»Dann ist er auch sauer.« Lena musste ihn gar nicht sehen, um das zu wissen.
Merkwürdig, wie gut sie ihn schon einschätzen konnte, wie vertraut er ihr bereits war.
Kurz darauf standen die beiden Männer vor ihnen. Sie konnte Ezras Gegenwart förmlich spüren, seine Aufmerksamkeit, seine Sorge … all das, was ihn ausmachte. Er umfasste ihr Kinn, hob es an und beugte sich zu ihr hinunter.
Für alle Welt hätte es wohl ausgesehen wie ein liebevoller Kuss … und das war es auch.
Nur Hope und Law konnten hören, wie er leise flüsterte: »Was ist los?«
Lena fuhr sanft mit den Lippen über seinen Mund. »Ich weiß es auch nicht. Puck … plötzlich ist er stehen geblieben und hat geknurrt. Als ich ihn beruhigen wollte, habe ich gemerkt, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten. So hat er sich noch nie benommen, Ezra. Noch nie.«
»Doch, hat er.« Er strich mit dem Daumen über ihre Wange, dann legte er ihr die Hände auf die Schultern und rieb sie unruhig. »Letzte Nacht bei Law. Weißt du noch, wie er sich aufgeführt hat? Er wollte am liebsten im Auto bleiben und hat in den Wald gestarrt.«
»Als ob da jemand wäre … oder kurz zuvor gewesen wäre«, murmelte sie. Sie schluckte und ihr drehte sich der Magen um. Jemand war da gewesen … lange genug, um die Leiche einer Frau dort abzulegen.
»Aber diesmal war es noch schlimmer, oder?«, fragte Ezra.
»Ja.« Lena hockte sich neben Puck, streichelte ihm über den Kopf, kraulte ihn hinter den Ohren. Er winselte leise. »Schsch. Ist ja gut, alter Junge. Vielleicht hat er ihn gesehen oder gerochen.«
Laws Stimme war ein dunkles, bedrohliches Brummen. »Wen?«
»Denselben Kerl, den er letzte Nacht gerochen hat.« Sie stand auf. Ihre Hände zitterten und waren schweißnass. Sie hatte Angst. Und das kotzte sie an.
Law schob sich an ihr vorbei. Rasch griff sie nach seiner Hand. »Wo willst du hin?«
»Mich ein bisschen umsehen.«
»Und wonach? Wie willst du das machen, ohne dabei Verdacht zu erregen?« Ezra senkte die Stimme. »Wenn er wirklich hier ist und du suchend durch die Gegend läufst, dann kannst du ihm gleich mit einem Megafon eine Warnung zurufen. Sei vernünftig, okay?«
Vernunft war das Letzte, wonach Law jetzt der Sinn stand. So gut kannte Lena ihn. Doch er gab schließlich nach. Allerdings fragte sie sich, welchen Anteil ihre und Hopes Anwesenheit wohl an dieser Entscheidung hatte. Wäre er allein gewesen, hätte er wohl die Stadt durchkämmt, bis er etwas gefunden hätte. Oder besser gesagt, jemanden.
Lena legte sich eine Hand auf den Bauch. »Ezra, ich weiß, dass du vorhattest, dich noch irgendwo reinzusetzen, und es
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