Blinde Wahrheit
einen Weg gefunden, sie zu erreichen.«
Jennings verzog das Gesicht. »Großer Gott.«
Für Prather passte alles zusammen. Doch er brauchte einen Beweis.
Spuren. Es gab einfach keine Spuren.
Als ob ein Bulle dabei gewesen wäre … ein Bulle.
Während er hinaus auf die Straße stiefelte, ließ er sich den Gedanken durch den Kopf gehen.
Ja. Vielleicht. So konnte es gewesen sein. Sie gaben sich gegenseitig Alibis. Der blöde Großstadtwichser wusste schließlich, wie man Spuren beseitigte.
Er musste an einen Beweis kommen. Doch das war nur auf eine Art möglich, da Nielson ja nicht mit sich reden ließ.
»Kommt nicht infrage!«
Hope funkelte ihn über den mit Umschlägen und Büchern vollgepackten Karton hinweg an. »Du hast mich dafür eingestellt, dass ich arbeite. Nichts anderes versuche ich zu tun. Einige dieser Päckchen haben schon eine Staubschicht, so lange liegen sie hier rum.«
»Na und?«
Hope versuchte, das Kribbeln zu ignorieren, das ihr den Rücken hinunterjagte. »Ich fahre nur nach Lexington. Sobald ich eine UPS -Station und einen Großmarkt gefunden und alles erledigt habe, komme ich wieder. Ich brauch ein paar Sachen zum Anziehen.«
»Also gut.« Er schaute genervt auf seinen Schreibtisch und fing an, seine Schlüssel zu suchen. »Ich komme mit.«
»Nein.« Hope wandte sich ab und legte die Hände in den Nacken. »Law, du weißt, dass ich dich liebhabe, oder? Du weißt, ich würde dich niemals absichtlich verletzen, nicht wahr?«
Er gab ihr keine Antwort. Nach einem kurzen Blick über die Schulter fuhr sie fort. »Ich ersticke hier. Wenn ich keinen Raum zum Atmen kriege, dann bekomme ich einen Nervenzusammenbruch.« Das war nicht übertrieben. Vorhin hatte sie die Badezimmertür nicht aufbekommen. Ihr war entfallen, dass sie abgeschlossen hatte, und sie war in Panik geraten – eingesperrt, eingesperrt, eingesperrt …
Schon bei der Erinnerung daran stieg Angst in ihr auf. Sie kämpfte das Gefühl nieder und zwang sich, die Ruhe zu bewahren, bevor sie sich zu Law umdrehte. »Mir geht’s gut«, versicherte sie ihm. »Wirklich. Aber ich muss aus diesem Haus raus … nur für ein paar Stündchen.«
»Das ist zu gefährlich.«
»Law, niemand hat es auf mich abgesehen.«
»Das wissen wir nicht!«, rief er ungehalten aus.
Sie zuckte zusammen, doch als sie daraufhin den Ausdruck der Selbstverachtung in seinen Augen bemerkte, hätte sie sich dafür ohrfeigen können. »Nein?« Sie schob die Hände in die Taschen ihrer abgewetzten Jeans. »Erzähl mir nicht, du hättest nicht schon jemanden damit beauftragt, Joey zu überprüfen. Das nehm ich dir nicht ab.«
Er schwieg und hielt ihrem Blick stand. Aufrichtigkeit spiegelte sich in ihren haselnussbraunen Augen, mit denen sie ihn entschlossen ansah. »Er ist es nicht. Wenn Joey mich erledigen wollte, dann würde er sich mich vorknöpfen und nicht irgendeine Frau, die ich noch nie gesehen habe. Und abgesehen von dir, kennt mich hier keiner«, sagte sie mit einem matten Lächeln.
»Psychotiker greifen nicht nur die Menschen an, die sie kennen«, wandte Law ein.
»Aber meinst du wirklich, dass er am helllichten Tag auf mich losgehen würde? Ich bin nur zwei, höchstens drei Stunden unterwegs, Law.« Sie merkte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Zu zittern und zu schwitzen … Also ballte sie die Fäuste so fest zusammen, dass sich ihr die Fingernägel ins Fleisch bohrten, und hoffte, durch den leichten Schmerz würde sich der Nebel in ihrem Kopf verziehen.
»Ich habe ihn auch deshalb verlassen, weil ich mich nicht mehr ständig fürchten wollte, mich nicht mehr eingesperrt fühlen wollte … «, nicht mehr eingesperrt sein wollte. »Wenn ich mich wegen dieser Geschichte einschüchtern lasse, dann war alles umsonst, Law.«
Sie schluckte schwer. »So kann ich nicht leben. Ich kann nicht wieder zu diesem … diesem Ding werden, zu dem er mich gemacht hat. Das darf ich einfach nicht.«
»Und was ist so schlimm daran, wenn ich mitkomme?«
»Ich konnte mich immer auf dich verlassen, Law.« Sie stieß einen Seufzer aus und schaute zu ihm auf. »Und das würde ich jetzt am liebsten wieder tun. Deswegen muss ich mich selbst davon abhalten. In den letzten zwei Jahren habe ich gelernt, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich hab zu viel erreicht, um es mir jetzt von irgendjemandem wieder nehmen zu lassen. Nicht jetzt.«
»Hope … « Ein trauriger, dunkler Ausdruck trat in seine Augen.
»Hör auf.« Sie schüttelte den Kopf und hielt seinem Blick
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