Blinde Wahrheit
für meine Frage. Ich hab Law gern. Schon seit er hergezogen ist, gehört er zu meinen besten Freunden. Eigentlich bin ich einfach nur neugierig. Law erzählt nicht viel von sich. Ich hab noch nie erlebt, dass er Besuch hatte. Seine Familie erwähnt er nie, und soweit ich weiß, hat er nie irgendwelche Dates, denn das wäre mir schon zu Ohren gekommen, auch wenn er selbst mir nichts davon erzählen würde. Und jetzt bist du plötzlich aufgetaucht. Es scheint nicht gerade zwischen euch zu knistern, aber … na ja, wie gesagt, ich bin eben neugierig.«
»Zwischen uns knistert es überhaupt nicht. Law lebt zurückgezogen, so ist er eben. Wir sind einfach Freunde – beste Freunde, mehr aber auch nicht.«
Traurigkeit lag in ihrer Stimme, stellte Lena fest. Große Traurigkeit, Schmerz und der Widerwille, sich zu öffnen.
»Also, wenn es über Law nichts zu sagen gibt, dann kannst du mir vielleicht von dir erzählen.« Lena stand auf und machte einen Schritt auf Hope zu. Mit den Fingern streifte sie deren Arm und tastete sich bis zur Schulter hoch. »Und jetzt frage ich nicht einfach nur aus Neugierde. Wirklich nicht. Auch wenn man den Unterschied vielleicht nicht so merkt. Ich habe das Gefühl, dass du noch nie richtig über die Sache gesprochen hast, die dich so belastet, was auch immer es sein mag. Vielleicht würde es dir aber guttun.«
»Danke für das Angebot«, sagte Hope mit schwacher, zittriger Stimme. »Aber es gehört zu den Dingen, über die man einfach nicht reden kann. Allein schon bei dem Versuch würde ich wahrscheinlich an den Worten ersticken.«
»Manchmal erstickt man auch an den Worten, die ungesagt bleiben.«
»Was läuft da eigentlich zwischen dir und Hope?«, fragte Ezra, während sie dem gewundenen Pfad in den Wald hinein folgten.
Law verscheuchte ein Insekt. »Gar nichts. Hope ist eine Freundin. Sie brauchte einen Job und bei mir waren ein paar Sachen zu erledigen. Das Ganze wäre richtig gut gelaufen, wenn nicht irgendein Verrückter eine Leiche in meiner Werkstatt abgeladen hätte.«
»Kennt ihr euch schon lange?«
»Du bist ganz schön neugierig«, brummte Law. »Ja, wir kennen uns schon ungefähr unser ganzes Leben lang. Als Kinder waren wir Nachbarn. Wir haben in derselben Kleinstadt gewohnt, sind auf dieselben Schulen gegangen und haben zusammen unseren Abschluss gemacht.«
Ezra schwieg eine Weile – und lauschte Laws Gegrummel, da sie sich durchs Dickicht kämpften. »Sie macht den Eindruck, als hätte ihr jemand ziemlich übel mitgespielt.«
»Das stimmt auch. Verdammt, im Prinzip war sie übel dran, seit wir von der Highschool abgegangen sind.« In seiner Stimme schwang Schärfe mit, Heftigkeit und außerdem Selbstverachtung.
Ezra hielt inne, um den anderen Mann anzuschauen. Der war stehen geblieben und starrte in die Ferne.
Doch Ezra ahnte, dass er weder die Bäume noch den Rest seiner Umgebung wahrnahm. »Alles in Ordnung?«
Law warf ihm einen Seitenblick zu. »Hast du jemals das Gefühl gehabt, jemand, der dir nahesteht, stecke in Schwierigkeiten?«
Ezra dachte an Mac. Ja, sie hatten sich nahegestanden und sie war mächtig in Schwierigkeiten geraten, doch er hatte nichts davon geahnt. Nicht eine Sekunde lang.
Law schien allerdings gar keine Antwort zu erwarten. »Und zwar so richtig. Und dann fragst du nach, bekommst aber lediglich zu hören, dass alles in Ordnung sei. Mehr nicht. Und weil sie dich vorher noch nie angelogen hat, glaubst du ihr. Ein paar Jahre vergehen, bis sich herausstellt, dass sie sehr wohl Probleme hatte. Und inzwischen sind sie sogar noch schlimmer geworden – viel schlimmer. Es geht um die Art von Problemen, bei denen du ihr vielleicht nicht helfen kannst. Wärst du damals, als du geahnt hast, dass etwas nicht stimmt, bloß ein bisschen hartnäckiger gewesen, dann wäre es vielleicht nicht so weit gekommen.«
»Vielleicht hättest du alles aber auch nur noch schlimmer gemacht.« Abseits des Pfads lag ein umgestürzter, moosbewachsener Baumstamm. Ezra steuerte darauf zu, setzte sich und streckte die Beine aus. »Ich werde nicht weiter nachhaken. Es ist auch gar nicht nötig, ich habe schon eine ungefähre Vorstellung davon, was sie alles durchgemacht haben muss. Sie war verheiratet und ihr Mann hat sie geschlagen.« Mit hochgezogener Augenbraue schaute er Law abwartend an.
»Das ist die harmlose Version. Es war schlimmer, sehr viel schlimmer.«
»War er ein Cop?«
»Woher weißt du das denn?«, fragte Law mit gerunzelter Stirn.
»Wenn man
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