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Blinde Wahrheit

Blinde Wahrheit

Titel: Blinde Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shiloh Walker
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sie ihn.« Sie schnitt eine Grimasse. »In Lexington oder Louisville passiert es dagegen oft.«
    »Wenn die Leute einen hübschen Hund sehen, wollen sie ihn halt streicheln.«
    Lena lächelte. »Stimmt.« Puck war tatsächlich ein schönes Tier, besaß eine Schulterhöhe von gut siebzig Zentimetern, war wohlerzogen, und auch wenn sie sein goldenes Fell nicht sehen konnte, wusste sie, dass es sauber aussah und glänzte. Jennings hatte recht – Puck war ein hübscher Hund, und die Menschen wollten hübsche Hunde gleich immer streicheln.
    Doch trotz seiner schönen Erscheinung war Puck eben gleichzeitig auch ein Nutztier. Zudem hörte er nur auf Lena. Er hatte zwar nichts gegen andere Menschen, sie aber zog er allen anderen vor. Er war damit nicht nur ihr Hund, sondern gleichzeitig ihr Freund. Und ebenso stellte sie für ihn weit mehr als lediglich die Besitzerin dar. Anders durfte es bei einem Blindenführhund auch nicht sein.
    Es herrschte Schweigen, welches fast eine Minute lang anhielt, bevor Sergeant Jennings es schließlich mit einer Frage brach. »Können Sie mir noch einmal genau erzählen, was passiert ist?«
    »Da waren Schreie«, flüsterte sie und drehte den Kopf in Richtung des bewaldeten Geländes, das sich an das westliche Ende ihres Grundstücks anschloss. Sie hatte einen dicken Kloß im Hals und musste sich zweimal räuspern, ehe sie weitersprechen konnte. Gewaltige, schonungslose Angst überkam sie. »Da war jemand im Wald. Ich hab sie schreien gehört … Sie hat um Hilfe geschrien.«
    »Sind Sie sicher, dass es eine Frau war?«
    Lena befeuchtete ihre Lippen. »Nein, das nicht. Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber die Person klang weiblich. Ich habe ihre Stimme zwar nur wenige Male gehört, aber sie klang … na ja, weiblich eben.«
    »Und sie hat geschrien.«
    »Ja.« Plötzlich wurden Lenas Hände kalt und schwitzig. Sie wischte sie an ihrer Schlafanzughose ab und versuchte das Zittern zu verbergen. »Davon bin ich aufgewacht. Ich saß im Bett, war irgendwie verwirrt … Kennen Sie das, wenn man von irgendetwas aufwacht und nicht genau weiß, was es war?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Tja, genau so war’s. Ich saß da und habe versucht, herauszufinden, wovon ich aufgewacht bin, und dann hörte ich es wieder. Ich meine, die Frau. Hilfe , hat sie geschrien. Und nur ein paar Sekunden später habe ich gehört, wie jemand durch den Wald lief, und dann rief sie wieder – Helfen Sie mir, bitte! Nein, doch nicht. Sie hat gerufen: Bitte, helfen sie mir! Sie schien auch etwas näher gekommen zu sein. Daraufhin habe ich dann das Telefon genommen und die Polizei gerufen.«
    »Nachdem Sie den Notruf abgesetzt hatten, haben Sie sie dann noch einmal gehört?«
    Lena schüttelte den Kopf. »Nein. Nur diese wenigen Male … na ja, drei oder vier Mal, glaube ich.« Sie hielt inne und hob den Kopf. »Nein. Es waren fünf Mal. Ich habe sie fünfmal schreien hören. Und von diesen Schreien bin ich wohl auch aufgewacht.«
    »Und Sie sind sicher, dass Sie wach waren?«
    »Ja.« Sie unterdrückte einen Seufzer und veränderte ihre Sitzposition. »Ich war wach, Sergeant. Sehr wach.«
    »Gut.« Der Stuhl ächzte unter seinem Gewicht. Papier raschelte. »Wir haben uns auf Ihrem Grundstück umgesehen, aber nichts gefunden.«
    »Das alles ist auch nicht auf meinem Grundstück passiert.« Lena rieb sich die Stirn, da sich Kopfschmerzen ankündigten – und zwar von der besonders fiesen Sorte. »Ich hab sie im Wald gehört. Haben Sie dort nachgeschaut?«
    »Ja, wir sind auch eine Runde durch den Wald gegangen. Aber wie Sie sich sicher vorstellen können, ist es ziemlich dunkel da draußen … Man kann kaum etwas erkennen.« Er räusperte sich. »Allerdings kann ich später, nach Sonnenaufgang, noch einmal vorbeikommen, wenn Sie mögen. Dann schaue ich mich bei Tageslicht noch einmal um.«
    Lena verzog das Gesicht. Die Frau hatte so verzweifelt geklungen. Konnte sie warten, bis die Sonne aufging? »Mehr können Sie nicht tun?«
    »Ich fürchte, nein. Ich habe jedoch einen der Deputies losgeschickt, damit er die Straßen absucht und überprüft, ob es vielleicht irgendwo in der Nähe einen Unfall oder etwas Ähnliches gegeben hat. Möglicherweise ist diese Frau angefahren worden.«
    Nein. Das war es nicht gewesen. Lena wusste zwar nicht genau, warum, aber sie war überzeugt davon, dass es kein Unfall gewesen sein konnte. Es klang irgendwie … schlimmer.
    Deine Fantasie geht mit dir durch , dachte sie. Ein Autounfall wäre

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