Blinde Wahrheit
ein bisschen was werd ich auch selbst erledigen, aber ich kann effizienter arbeiten, mich besser auf mein Buch konzentrieren, wenn ich Unterstützung habe, und hier jemanden zu bekommen, ist nicht leicht. Ich kenne genau drei Leute, denen ich das alles anvertrauen würde, und die können alle nicht.«
Er breitete die Hände aus und fuhr fort: »Sie haben Vollzeitjobs und müssen sich um ihren eigenen Kram kümmern. Das hier wird eine zeitraubende Angelegenheit, vor allem am Anfang.«
Ein Meister der Untertreibung.
Genau das war Law Reilly, beschloss Hope einige Stunden später, als sie an dem zweiten Arbeitsplatz saß, den er in seinem Büro für sie eingerichtet hatte. Der Computer auf dem Schreibtisch war von Büchern verdeckt, von Schachteln, Büchern, gepolsterten Versandtaschen, Büchern … und Büchern, sodass sie ihn zuerst gar nicht gesehen hatte. Sie streckte die Arme nach oben, drückte den Rücken durch und betrachtete die deckenhohen Regale, die eine komplette Wand einnahmen.
Von jedem der acht Bücher, die sie von seinem Schreibtisch geräumt hatte, besaß er bereits mehrere Exemplare – was Law natürlich so lange bestritt, bis sie ihm die Duplikate unter die Nase hielt, die in seinen Regalen standen. Eines Besseren belehrt, hatte er nur mit den Schultern gezuckt. »Ich schenk sie der Stadtbibliothek.«
Tja, damit waren schon mehr als ein Dutzend Bücher aussortiert, und wahrscheinlich hätte sie das Dreifache herausschlagen können, wenn sie nicht ständig mit Argusaugen beobachtet worden wäre. Ein paar Mal hatte das Telefon geklingelt und sie hoffen lassen, dass Law abnehmen und vielleicht mit dem Hörer aus dem Büro spazieren würde – er schien keine Sekunde still sitzen zu können, außer wenn er schrieb – , aber er ignorierte das Telefon einfach.
Jedes einzelne Mal.
Und es klingelte lange.
Er ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Man hätte vermuten können, dass er es vielleicht gar nicht mitkriegte. Aber Hope wusste es besser. Der Mann kriegte so ziemlich alles mit.
Zum Beispiel, wie sie seine Regale absuchte. Ab und zu, wenn sie sich ein bisschen vorgebeugt hatte, um die Titel zu entziffern, hatte er sie angeschaut, als wollte sie über ein flauschiges, hilfloses kleines Kaninchenbaby herfallen und nicht etwa nach Duplikaten in seinem Buchbestand suchen.
Sie hatte es trotzdem gewagt, denn wenn er tatsächlich von ihr erwartete, für ihn zu arbeiten – und allmählich begriff sie, dass dem so war – , dann brauchte sie einen halbwegs aufgeräumten Arbeitsplatz.
Zweieinhalb Stunden später hatte sie sich um die Bücher gekümmert und es irgendwie geschafft, den Großteil der Quittungen zu sortieren. Knapp die Hälfte der losen Papiere hatte sie in ein nachvollziehbares System eingeteilt: Recherchematerial, Fanpost, Post von seiner – wie sie annahm – Agentin, ein paar Rezensionen, die aus Zeitschriften herausgerissen worden waren, und ein bedenklich hoher Stapel von Postkarten.
Leeren Postkarten.
Über hundert Stück. Hope wühlte sie durch, schaute sich die Vorderseiten an, bevor sie sie umdrehte. Manche flogen offenbar schon so lange hier herum, dass sie abgestoßene Ecken und eingerissene Kanten hatten, während andere brandneu zu sein schienen.
»Was machst du denn mit all diesen Postkarten?«, fragte sie mit einem Blick zu Law.
»Potenzielle Schauplätze für meine Bücher«, antwortete dieser geistesabwesend, während er mit glasigen Augen wie hypnotisiert auf seinen Bildschirm starrte.
Hope hob die Augenbrauen. »Du willst ein Buch schreiben, das in … Adair, Iowa, spielt? Was bitte gibt es denn in Adair, Iowa?«
»Nichts … von dem ich wüsste.« Er grinste. »Das bedeutet, dass es da wahrscheinlich irgendwas gibt. Irgendwas gibt es immer irgendwo.«
»Du bist seltsam, Law. Sehr seltsam.«
Darauf erntete sie lediglich ein Grummeln.
Hope sah wieder auf all die Postkarten. Dann griff sie nach dem Stift und dem Notizblock auf ihrem Tisch. Wenn er eine erweiterbare Liste von potenziellen Schauplätzen führen wollte, dann ging das wohl auch ordentlicher. In einem Fotoalbum wären all diese Karten bestens untergebracht – ein weiterer Punkt auf der langen Liste von Dingen, die sie besorgen musste.
Wie zum Beispiel Putzzeug. Auf diesen Bücherregalen lag eine dicke Staubschicht und Hope wollte gar nicht erst darüber nachdenken, wie lange in diesem Zimmer schon nicht mehr gesaugt worden war.
Law hatte eine Putzfrau, die sich um das Haus kümmerte,
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