Blinde Weide, Schlafende Frau
gestützt.
»Irgendwie schon, ja, könnte man sagen«, antwortete er.
»Sie sind also irgendwie Schriftsteller?«
Junpei nickte.
»Wie viele Bücher haben Sie veröffentlicht?«
»Zwei mit Kurzgeschichten und eine Übersetzung. Keins davon hat sich besonders gut verkauft.«
Sie musterte ihn rasch von oben bis unten und lächelte sichtlich erfreut.
»Jedenfalls begegne ich zum ersten Mal in meinem Leben einem echten Schriftsteller.«
»Angenehm.«
»Mir auch«, sagte sie.
»Leider sind Schriftsteller wahrscheinlich nicht sonderlich unterhaltsam«, sagte Junpei entschuldigend. »Wir haben nichts zu bieten. Ein Pianist könnte Ihnen auf dem Klavier ein Ständchen spielen, ein Maler eine Zeichnung für Sie machen, ein Zauberer einen Trick vorführen – aber ein Schriftsteller hat nichts zu bieten.«
»Vielleicht kann ich ja Ihre künstlerische Aura genießen?«
»Meine künstlerische Aura?«, wiederholte Junpei.
»Na ja, so etwas wie ein Glanz, den normale Menschen nicht haben.«
»Ich schaue beim Rasieren jeden Morgen in den Spiegel, aber so etwas ist mir noch nie aufgefallen.«
Sie lächelte charmant. »Welche Art von Geschichten schreiben Sie denn?«
»Das werde ich öfter gefragt, aber es fällt mir schwer, darauf zu antworten. Sie gehören keinem bestimmten Genre an …«
Sie fuhr mit dem Finger über den Rand ihres Cocktailglases. »Das heißt, Sie schreiben nur Belletristik?«
»Wahrscheinlich. Aber bei Ihnen klingt das so anrüchig.«
Wieder lächelte sie. »Könnte es sein, dass ich Ihren Namen schon gehört habe?«
»Lesen Sie Literaturzeitschriften?«
Sie schüttelte kurz und energisch den Kopf.
»Dann wahrscheinlich nicht. Ich bin nicht gerade weltberühmt.«
»Wurden Sie schon einmal für den Akutagawa-Preis nominiert?«
»Vier Mal in fünf Jahren.«
»Aber Sie haben ihn nie bekommen?«
Junpei lächelte nur. Unaufgefordert setzte sie sich auf den Hocker neben ihn und trank ihren Cocktail aus.
»Es kommt ja auch nicht darauf an«, sagte sie. »Diese Preise sind sowieso nur Werbetricks.«
»Wenn ich das von jemandem hören würde, der den Preis bereits erhalten hat, würde es mich überzeugen.«
Sie nannte ihm ihren Namen. Sie hieß Kirie.
»Klingt wie aus dem Gottesdienst – Kyrie.«
Sie war zwei bis drei Zentimeter größer als er, schätzte Junpei. Sie hatte kurz geschnittenes Haar, war sonnengebräunt, und ihr Kopf war ausgesprochen schön geformt. Sie hatte ein blassgrünes Leinenjackett und einen ausgestellten knielangen Rock an; unter dem Jackett trug sie eine schlichte Baumwollbluse mit einer kleinen Türkisbrosche am Kragen. Ihre Brüste waren weder groß noch klein. Ihre Garderobe hatte Stil, nichts daran war überflüssig, und ihre gesamte Aufmachung sprach für starke individualistische Prinzipien. Sie hatte volle Lippen, die sie nach einer Äußerung dehnte oder schürzte, was ihrer Mimik eine ganz eigene Lebhaftigkeit und Frische verlieh. Wenn sie über etwas nachdachte, bildeten sich drei parallele Falten auf ihrer breiten Stirn, die wieder verschwanden, sobald sie aufhörte, darüber nachzudenken.
Junpei fühlte sich zu ihr hingezogen. Sie hatte etwas an sich, das ihn auf unbestimmte Weise erregte. Adrenalin durchströmte seinen Körper, und sein Herz begann zu klopfen. Seine Kehle wurde trocken, und vom Tablett eines vorbeikommenden Kellners nahm er sich ein Glas Perrier. Wie stets fragte er sich, ob er hier eine Frau vor sich habe, die wahrhaft von Bedeutung für ihn sein konnte. War sie eine von den beiden noch verbleibenden? War sie der zweite Streich? Sollte er sie ziehen lassen oder einen Versuch wagen?
»Wollten Sie schon immer Schriftsteller werden?«, fragte Kirie.
»Eigentlich ja. Zumindest ist mir nie etwas Besseres eingefallen.«
»Also hat sich für Sie ein Traum erfüllt.«
»Ich weiß nicht so recht… Ich wollte ein überragender Schriftsteller werden.« Junpei hielt seine Hände etwa dreißig Zentimeter weit auseinander. »Aber ich glaube, davon bin ich noch ziemlich weit entfernt.«
»Jeder fängt mal an. Sie haben noch lange Zeit. Niemand ist von Anfang an vollkommen«, sagte sie. »Wie alt sind Sie?«
Sie sagten einander ihr Alter. Dass sie älter war als er, schien ihr nicht das Geringste auszumachen, und auch Junpei störte es nicht. Er zog erwachsene Frauen jungen Mädchen vor. In den meisten Fällen war es bei einer älteren Frau leichter, Schluss zu machen.
»Und was sind Sie von Beruf?«, fragte er.
Kirie presste die Lippen
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