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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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nichts anderes zu tun, und so saß ich unauffällig allein in einer Ecke, trank in aller Ruhe und hörte der Musik zu. Es gab keine aufdringlichen Menschen und man wurde nicht mit Gewalt irgendwelchen blöden Leuten vorgestellt, die einen dann eine halbe Stunde lang damit zudröhnten, wie Krebs durch vegetarische Ernährung zu heilen sei.
    An diesem Abend jedoch wurde mir eine Frau vorgestellt. Nachdem ich ein bisschen Smalltalk gemacht hatte, wollte ich mich wieder in meine Ecke zurückziehen, aber sie folgte mir mit ihrem Whiskeyglas in der Hand. »Ich hatte darum gebeten, Ihnen vorgestellt zu werden«, sagte sie liebenswürdig.
    Sie war nicht gerade eine Schönheit, die Blicke auf sich zog, aber durchaus attraktiv. Sie trug ein raffiniertes grünes Seidenkleid, das sicher teuer gewesen war. Ich schätzte sie auf etwa zweiunddreißig. Sie hätte sich leicht jünger zurechtmachen können, doch anscheinend hielt sie das für überflüssig. Sie trug drei Ringe an den Händen. Ein hauchfeines Lächeln umspielte ihren Mund.
    »Sie sehen einem Bekannten von mir unglaublich ähnlich«, sagte sie. »Ihr Gesicht, Ihr Rücken, Ihre Haltung, Ihre Art zu sprechen – erstaunlich, wie Sie ihm gleichen. Es ist mir sofort aufgefallen, als Sie hereinkamen.«
    »Wenn er mir so ähnlich sieht, würde ich ihn gern kennen lernen«, sagte ich. Etwas Besseres fiel mir nicht ein.
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich wüsste gern, wie es ist, jemandem zu begegnen, der genauso aussieht wie man selbst.«
    Ihr Lächeln vertiefte sich für einen Moment und wurde dann wieder vager. »Das geht leider nicht«, sagte sie. »Er ist vor fünf Jahren gestorben. Er war genau in dem Alter wie Sie jetzt.«
    »Ach«, sagte ich.
    »Ich habe ihn getötet.«
    Das Trio beendete gerade sein zweites Set, und halbherzig wurde geklatscht.
    »Mögen Sie Musik?«, fragte sie mich.
    »Wenn es erfreuliche Musik in einer erfreulichen Welt ist«, sagte ich.
    »In einer erfreulichen Welt gibt es keine erfreuliche Musik«, sagte sie, als vertraue sie mir ein großes Geheimnis an. »In einer erfreulichen Welt vibriert die Luft nicht.«
    »Aha«, sagte ich. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte.
    »Haben Sie den Film gesehen, in dem Warren Beatty in einem Nachtclub Klavier spielt?«
    »Nein.«
    »Liz Taylor ist Gast in dem Club. Sie ist sehr arm, und es geht ihr schlecht.«
    »Hmm.«
    »Dann fragt Warren Beatty sie, ob sie einen Wunsch hat.«
    »Und dann?«, fragte ich. »Hat Liz Taylor einen Wunsch?«
    »Ich habe es vergessen. Der Film ist schon so alt.« Ihre Ringe blitzen, als sie von ihrem Whiskey trinkt. »Aber mir sind Wunschkonzerte zuwider. Ich fühle mich elend dabei. Es ist wie bei einem Buch, das ich mir aus der Bücherei ausleihe. Kaum habe ich angefangen, es zu lesen, denke ich nur noch daran, wann ich wohl damit fertig sein werde.«
    Sie steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, und ich gab ihr mit einem Streichholz Feuer.
    »Aber wir haben von dem Mann gesprochen, der Ihnen so ähnlich sah.«
    »Wie haben Sie ihn getötet?«
    »Ich habe ihn in einen Bienenkorb gestoßen.«
    »Das ist doch wohl geflunkert?«
    »Ja«, sagte sie.
    Statt zu seufzen, nahm ich einen Schluck aus meinem Glas. Das Eis war geschmolzen, und vom Whiskey schmeckte man kaum noch etwas.
    »Juristisch betrachtet, bin ich natürlich keine Mörderin«, sagte sie. »Und moralisch betrachtet auch nicht.«
    »Weder juristisch noch moralisch sind Sie eine Mörderin.« Unwillkürlich fasste ich die bisher genannten Punkte zusammen. »Aber Sie haben jemanden getötet.«
    »Ja«, sagte sie und nickte heiter. »Jemanden, der genauso aussah wie Sie.«
    Auf der anderen Seite des Raumes lachte jemand laut auf. Auch die Leute um ihn herum lachten. Gläser klirrten. Es klang, als kämen die Geräusche aus großer Ferne, jedoch unheimlich klar. Ohne dass ich wusste warum, klopfte mein Herz. Es schien anzuschwellen oder sich auf und ab zu bewegen. Ich hatte das Gefühl, der Boden unter meinen Füßen treibe auf Wasser.
    »Es hat kaum fünf Sekunden gedauert«, sagte sie. »Ihn zu töten.«
    Eine Weile schwiegen wir. Sie schien dieses Schweigen zu genießen.
    »Haben Sie schon einmal über die Freiheit nachgedacht?«, fragte sie.
    »Zuweilen, ja«, sagte ich. »Warum fragen Sie?«
    »Können Sie eine Margarite zeichnen?«
    »Ich glaube schon. Ist das ein Persönlichkeitstest?«
    »Beinahe«, sagte sie lachend.
    »Und? Habe ich bestanden?«
    »Ja«, erwiderte sie. »Alles in Ordnung, kein Grund zur

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