Blinde Weide, Schlafende Frau
danach im Bett führten; das waren wunderbare Momente. Ich umfing ihren nackten Körper, sie schmiegte sich in meine Arme, und wir sprachen leise, sodass nur wir es hören konnten, über Dinge, die nur wir verstanden.
Wir trafen uns, sooft es ging. Wir tranken etwas und unterhielten uns; wenn wir genügend Zeit hatten, schliefen wir miteinander, wenn nicht, redeten wir nur. Uns war alles recht. Seltsamerweise (oder vielleicht war es gar nicht so seltsam) glaubten wir, dass unsere Beziehung immer so weitergehen und problemlos mit unseren Ehen koexistieren könnte. Wir vertrauten darauf, dass unser Verhältnis nie in Konflikt mit unserem Familienleben geraten würde. Natürlich hatten wir eine sexuelle Beziehung, aber das tat doch eigentlich niemandem weh. Sicher belog ich meine Frau an den Abenden, an denen ich spät nach Hause kam, weil ich mich mit Izumi traf, und hatte deswegen auch ein schlechtes Gewissen, aber wirklich wie Betrug kam es mir nie vor. Unsere Affäre war strikt von unserem alltäglichen Leben abgegrenzt und doch völlig intim.
Ich weiß nicht, welchen Verlauf sie genommen hätte, wenn nichts geschehen wäre. Wahrscheinlich hätten wir immer weiter geredet, unsere Wodka Tonics getrunken und in irgendeinem Hotel miteinander geschlafen; oder wir wären es nach einer gewissen Zeit leid geworden, unsere Ehepartner zu belügen, und hätten die Affäre auslaufen lassen, um wieder unser ruhiges Familienleben aufzunehmen. Schlecht wäre die Sache vermutlich in keinem Fall ausgegangen. Ich kann es nicht beweisen, aber ich habe das Gefühl. Durch eine – im Rückblick unvermeidliche – Wendung des Schicksals kam jedoch Izumis Mann hinter unsere Affäre. Nachdem er Izumi verhört hatte, kreuzte er bei mir zu Hause auf, sehr aufgebracht und völlig außer sich. Dummerweise war meine Frau allein in der Wohnung, und die ganze Sache nahm hässliche Züge an. Als ich nach Hause kam, verlangte meine Frau eine Erklärung von mir. Nachdem Izumi bereits alles zugegeben hatte, konnte ich ihr nicht mehr irgendeine erfundene Geschichte auftischen. Also erzählte ich ihr genau, worum es ging. Dass die Sache nichts mit Liebe oder so zu tun habe. Es sei eine besondere Art von Beziehung, völlig anders als meine Beziehung zu ihr. Was ja schon daraus hervorgehe, dass sie nichts davon bemerkt habe, sagte ich. Aber meine Frau hörte gar nicht zu. Sie hatte einen Schock erlitten und war wie erstarrt. Sie sprach kein Wort mehr mit mir. Am nächsten Tag packte sie ihre Sachen in den Wagen und fuhr mit unserem Sohn zu ihren Eltern nach Chigasaki. Immer wieder versuchte ich sie anzurufen, aber sie kam einfach nicht ans Telefon. Stattdessen sprach ihr Vater mit mir. »Ich will deine faulen Ausreden nicht hören«, sagte er. »Und ich lasse nicht zu, dass meine Tochter zu einem Schuft wie dir zurückgeht.« Ihr Vater war von Anfang an gegen unsere Heirat gewesen, und sein Ton besagte, dass er alles vorausgesehen hatte.
Ratlos, wie ich war, nahm ich mir ein paar Tage frei und igelte mich zu Hause ein. Izumi rief mich an; auch sie war allein. Ihr Mann hatte sie verlassen (nachdem er sie noch geschlagen und alle ihre Kleider, von der Unterwäsche bis zum Wintermantel, zerschnitten hatte). Wohin er gegangen war, wusste sie nicht. »Ich bin erledigt«, sagte sie. »Alles ist kaputt, und es wird nie wieder wie vorher. Er wird nicht zurückkommen«, schluchzte sie ins Telefon. Sie war schon seit der Schulzeit mit ihrem Mann zusammen gewesen. Gern hätte ich sie getröstet, aber wie?
»Komm, gehen wir was trinken«, schlug Izumi vor. Wir fuhren in eine Bar nach Shibuya, die bis morgens geöffnet hatte. Ich trank Wodka Gimlets und sie Daiquiris. Unzählige. Zum ersten Mal hatten wir uns in jener Nacht kaum etwas zu sagen. Als der Tag anbrach, gingen wir, um nüchtern zu werden, zu Fuß nach Harajuku und frühstückten im Royal Post. Dort machte Izumi dann den Vorschlag, nach Griechenland zu gehen.
»Nach Griechenland?«, fragte ich.
»In Japan können wir kaum bleiben«, sagte sie und sah mir in die Augen.
Ich überlegte, doch mein Gehirn war noch von Alkohol benebelt, und ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Nach Griechenland?
»Ich wollte schon immer einmal nach Griechenland. Es war mein Traum. Ich wollte, dass wir die Hochzeitsreise nach Griechenland machen, aber damals hatten wir kein Geld. Lass uns nach Griechenland gehen und dort eine Weile leben, ohne an etwas zu denken. In Japan zu bleiben bringt gar nichts, hier
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