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Blinde Weide, Schlafende Frau

Titel: Blinde Weide, Schlafende Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Schaumkronen nahmen zu.
    Um diese Zeit lasen wir in der Zeitung die Geschichte von den menschenfressenden Katzen. In derselben Zeitung stand ein Artikel darüber, dass der Gesundheitszustand des japanischen Kaisers sich verschlechterte, aber wir hatten die Zeitung nur gekauft, um die Wechselkurse zu erfahren. Der Yen stieg im Verhältnis zur Drachme weiter, was günstig für uns war; so hatten wir mehr Geld zur Verfügung.
    »Apropos Katzen«, sagte ich einige Tage, nachdem der Artikel über die menschenfressenden Katzen in der Zeitung gestanden hatte. »Als Kind hatte ich einmal eine Katze, die auf mysteriöse Weise verschwand.«
    Izumi schien sich für die Geschichte zu interessieren. Sie schaute von ihrer Verbentabelle auf und sah mich an. »Wie kam das denn?«, fragte sie.
    »Ich war damals in der zweiten oder dritten Klasse. Wir hatten einen ziemlich großen Garten, in dem eine hohe, alte Kiefer wuchs. Dieser Baum war so hoch, dass man kaum seinen Wipfel sah. Eines Tages, ich saß auf der Veranda und las, spielte unsere Schildpattkatze im Garten. Sie sprang scheinbar grundlos herum, wie es Katzen zuweilen tun. Irgendetwas schien sie fürchterlich aufzuregen. Ich legte mein Buch nieder und beobachtete sie, was sie jedoch nicht zu bemerken schien. Eine ganze Weile tobte sie weiter wie besessen durch die Gegend. Sie machte Sätze nach vorn, sprang wieder zurück und ihr Fell sträubte sich. Allmählich bekam ich Angst. Vielleicht sah die Katze etwas, das für mich unsichtbar war. Immer wilder raste sie um die Kiefer, wie die Tiger, die zu Butter werden – die aus dem Kinderbuch, das Kleiner schwarzer Sambo heißt. Auf einmal blieb sie jäh stehen, und dann fegte sie, ohne innezuhalten, den Stamm der Kiefer hinauf bis in die Krone. Ich sah sie zwischen den obersten Ästen hervorspähen, anscheinend immer noch furchtbar aufgeregt. Sie versteckte sich hinter den Zweigen und starrte auf irgendetwas. Ich rief ihren Namen, aber sie reagierte nicht.«
    »Wie hieß denn die Katze?«, fragte Izumi.
    »Das weiß ich nicht mehr«, sagte ich. »Es wurde Abend und allmählich dunkel. Bekümmert wartete ich, dass die Katze herunterkommen würde, aber sie kam nicht. Bald war es stockdunkel. Die Katze blieb für immer verschwunden.«
    »Das ist doch nicht so ungewöhnlich«, sagte Izumi. »Katzen verschwinden häufig auf diese Art. Besonders wenn sie läufig sind. Sie finden dann vor Aufregung den Heimweg nicht mehr. Bestimmt ist sie, als du nicht hingesehen hast, von der Kiefer heruntergeflitzt und fortgelaufen.«
    »Kann sein«, sagte ich. »Aber damals war ich noch ziemlich klein und dachte, die Katze wohne jetzt in der Kiefer. Es musste irgendeinen Grund geben, weswegen sie nicht wieder herunterkommen konnte. Darum saß ich jede freie Minute auf der Veranda, schaute zur Kiefer hinauf und hoffte, dass die Katze zwischen den Ästen hervorschauen würde.«
    Izumi schien das Interesse an meiner Geschichte verloren zu haben. Gelangweilt zündete sie sich ihre zweite Salem an. Dann hob sie plötzlich den Kopf und sah mich an.
    »Denkst du manchmal an deinen Sohn?«, fragte sie.
    Zuerst wusste ich nicht genau, wie ich antworten sollte. »Manchmal«, sagte ich ehrlich. »Aber nicht unentwegt. Nur wenn mich etwas an ihn erinnert.«
    »Sehnst du dich nach ihm?«
    »Manchmal schon«, sagte ich, aber das war eine Lüge. Ich dachte nur, es gehöre sich so. Als ich noch mit ihm unter einem Dach gelebt hatte, hatte ich ihn sehr lieb. Wenn ich spät nach Hause kam, ging ich immer zuerst ins Kinderzimmer, um nach ihm zu sehen. Manchmal hätte ich ihn am liebsten so fest an mich gedrückt, dass ich ihm etwas hätte brechen können. Aber seit ich von ihm getrennt war, konnte ich mich nicht mehr gut an ihn erinnern; seine Züge, seine Stimme, seine Bewegungen waren jetzt sehr weit fort. Ganz deutlich erinnern konnte ich mich nur noch an den Duft seiner Seife. Ich hatte oft mit ihm gebadet und ihn gewaschen. Kinder haben eine zarte Haut, darum hielt meine Frau immer eine spezielle Seife für ihn bereit. Der Geruch dieser Seife war dasjenige, was mir von meinem Sohn in Erinnerung geblieben war.
    »Weißt du, wenn du irgendwann das Bedürfnis verspürst, nach Japan zurückzugehen, kannst du das ruhig tun«, sagte Izumi. »Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich komme hier schon allein zurecht.«
    Ich nickte. Aber ich wusste genau, dass ich sie nie hier zurücklassen und allein nach Japan gehen würde.
    »Ob dein Sohn sich auch einmal

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