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Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
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Bilder eines nicht sehr begabten, dafür aber um so bemühteren Amateurfilmers. Es begann mit einem Urlaubsfilm, auf dem Marion, Bernhard und Christian Däubler, letzterer im Alter von etwa drei Jahren, ausgelassen vor der Kamera posierten.
    »Urlaub in Lugano«, kommentierte Wagner mit leichtem Spott in der Stimme.
    »Da scheint es zwischen den Däublers ja noch gestimmt zu haben«, bemerkte Lutz, und Wagner mußte mit Unbehagen feststellen, daß Lutz mit vollem Ernst in eine Sache einstieg, die von ihm als Witz gedacht war.
    »Ich hab’ Ihnen die anderen Urlaubsfilme erspart«, begann Wagner auf die Linie seines Chefs umzuschwenken. »Es sind immer die gleichen Posen.«
    Es folgte ein Szenenwechsel, und über die Leinwand flimmerten die Aufnahmen einer Familienfeier im Haus Kleinhanns.
    »Der fünfundsechzigste Geburtstag von Frau Kleinhanns«, erläuterte Wagner.
    »Wann war das?« wollte Lutz wissen.
    »Letztes Jahr.«
    Unter den Geburtstagsgästen waren Frau Kleinhanns, ihr Sohn, Marion und der inzwischen fünfjährige Christian gut zu erkennen. Auch Bernhard Däubler war einmal zu sehen. Es waren Bilder der Harmonie, und wenn Lorenz Kleinhanns wirklich etwas gegen seinen Schwager hatte, ließ er sich das zumindest im Film nicht anmerken. Im Gegenteil: er lachte in die Kamera, die Bernhard Däubler geführt haben durfte, und schnitt ausgelassen Fratzen.
    »Sieht nicht so aus, als ob es große Differenzen zwischen Herrn Däubler und seinem Schwager gegeben hat«, fiel Lutz zu diesen Bildern ein, und Wagner bestätigte das mit einem lakonischen »Nein«.
    Es folgte wieder ein Szenenwechsel. Zu sehen war jetzt ein Film, dessen Farben blasser wirkten als bisher und der Männer bei der Arbeit an einem Brunnen zeigte. Bei den Männern handelte es sich um zwei Europäer und mehrere mit dunkler Hautfarbe. Sie standen vor einem Geländewagen, der die Aufschrift Deutscher Entwicklungsdienst trug.
    »Das wollte ich Ihnen noch zeigen«, erklärte Wagner, »vielleicht können Sie was mit anfangen.« Das war natürlich glatt gelogen. Wagner, den diese Aufnahme irritiert hatte, wollte bei Lutz den gleichen Effekt erzielen.
    »War keine Beschriftung dabei?« erkundigte sich Lutz.
    »Nein.«
    »Scheint eine Kopie zu sein, sonst wären die Farben kräftiger.«
    »Ja, es ist eine Kopie.«
    »Hm. Komisch.«
    Lutz hatte keine Zeit mehr, länger über diesen Streifen nachzudenken, denn wieder folgte ein Szenenwechsel. Der nun folgende Film wurde offenbar von Marion aufgenommen. Er zeigte Däubler in seinem Wohnzimmer mit den Postern von Wüsten- und Oasenlandschaften vor dem Modell eines technischen Geräts, das Lutz irgendwie bekannt vorkam. Däubler, der einen Fön in der Hand hatte, den er als Windmaschine benutzte, deutete auf verschiedene Teile des Modells und redete ununterbrochen. Wie es aussah, erklärte er das Modell, was ohne Ton recht putzig wirkte, fast so wie ein alter Stummfilm.
    »Was ist das?« fragte Lutz interessiert.
    »Keine Ahnung. Irgendein Modell halt«, gab Wagner träge zurück.
    »Komisch«, meinte Lutz nachdenklich, »irgendwie kommt mir das bekannt vor.« Ein weiterer Szenenwechsel auf der Leinwand hinderte ihn daran, diese Gedanken zu vertiefen.
    Christians Werdegang war jetzt in kurzen Szenen zu sehen, von der Taufe bis zur Einschulung. Diesen Streifen betrachteten Lutz und Wagner kommentarlos, wie es schien, ließ er sie nicht ungerührt. Danach folgte noch eine kurze Szene, in der Marion und Christian bei den Hausaufgaben zu sehen waren. Die Filmerei schien Marion lästig zu sein, und ihre Gesten ließen darauf schließen, daß sie ihren Mann bat, damit aufzuhören. Sie tat das allerdings liebevoll, nichts deutete auf ein Zerwürfnis zwischen den beiden hin.
    »Das muß vor kurzem aufgenommen worden sein«, erläuterte Wagner, »der Film war noch in der Kamera.«
    Die Filmrolle war zu Ende, Wagner ging zum Fenster und zog die Vorhänge auf. Er war sauer auf sich selbst. Irgend etwas mußte er falsch gemacht haben, denn sein Zusammenschnitt paßte genau in Lutz’ Bild und hatte die eigentliche Wirkung, die Wagner erzielen wollte, ihm nämlich die Augen zu öffnen über den Blödsinn, den er trieb, total verfehlt.
    Lutz saß da und grübelte vor sich hin, und als Wagner wieder zu ihm trat, schüttelte er den Kopf und sagte mehr zu sich selbst: »Ich bringe das nicht zusammen. Für die Nachbarn ist er ein hilfsbereiter und höflicher Mensch… und in den Filmen der liebevolle Ehemann und Vater, und ich

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