Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
Vom Netzwerk:
neues Büro, noch mehr Assistenten, noch mehr Berufsstreß. Silberhochzeit, Ferien auf der Schwäbischen Alp. Hochzeiten, Taufen, Enkelkinder. Eine Abschiedsfeier für Wagner und eine goldene Armbanduhr. Wege durch Krankenhäuser, Besuche an Krankenbetten. Cornelia, die immer blasser und schmaler wird. Friedhof, Trauerkleidung und Wagner im Rollstuhl im Altersheim, mal allein, dann umringt von Kindern und Enkelkindern, und schließlich in einem Bett mit dem Pfarrer neben sich und zu schwach, ihn fortzuschicken, weil man mit der Kirche noch nie was am Hut hatte.
    Der Film, der nur Sekundenbruchteile gedauert hatte, war zu Ende. Wagner öffnete die Augen wieder, die Alarmglocken hatten bei ihm zu schrillen begonnen, seine Bindungsangst meldete sich.
    »Nein, vielen Dank!« beeilte er sich, auf Schwester Cornelias Frage, ob sie ihm vielleicht helfen könnte, zu antworten. Und er sah zu, daß er weiterkam.
    »Dann eben nicht«, dachte Schwester Cornelia, zuckte mit den Schultern und setzte ihren Weg in die entgegengesetzte Richtung fort.
    Wagner war enttäuscht, daß er Schwester Birgitta nicht mehr sehen würde. Dann schüttelte er, unwillig über sich selbst, den Kopf. Was wollte er mit einer verheirateten Frau? Mit Klärchen, Ferdinand und Johannes konnte er es sicher nicht aufnehmen. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: eine verheiratete Frau konnte ihm nicht gefährlich werden, weil sie schon gebunden war! Das war es!
    Und jetzt war er eigentlich ganz froh, daß er Schwester Birgitta nicht mehr sehen würde. Aber da stand sie auch schon vor ihm! Er erkannte sie erst, als sie ihn ansprach.
    »Sie schon wieder?« fragte sie spitz. »Irgendwelche neuen Probleme?«
    »Ich denke, Sie haben längst Dienstschluß«, brachte Wagner hervor, nachdem er sie ein paar Sekunden lang fassungslos angestarrt hatte.
    »Wer behauptet das?«
    »Schwester Cornelia.«
    »Ach die«, sagte Schwester Birgitta abfällig, und Wagner war einmal mehr froh, daß er mit ihr nicht angebändelt hatte.
    »Nein«, erklärte Schwester Birgitta jetzt, »ich hab mit Schwester Angelika den Dienst getauscht, weil die letzte Woche mit Schwester Kerstin getauscht hatte und ich…« Sie unterbrach sich. »Ach das verstehen Sie sowieso nicht«, fuhr sie dann fort. »Und was treibt Sie hier durch die Gänge? Immer noch der Herr Däubler?«
    Wagner nickte erst und schüttelte dann den Kopf. »Ich bin wegen der Blumen gekommen«, sagte er betont beiläufig und sah bescheiden zur Seite.
    »Welche Blumen?«
    »Die ich gestern für Sie abgegeben habe.«
    »Sie haben mir Blumen gebracht?« fragte Schwester Birgitta belustigt.
    Wagner nickte. »Hat man Ihnen das nicht gesagt?« forschte er nach. »Sie müssen im Stationszimmer stehen.«
    Dort standen sie tatsächlich, und sogar im Wasser. Der Strauß gefiel Schwester Birgitta, und als sie ihn genauer betrachtete, entdeckte sie auch Wagners Nachricht. »Die Blume der Blume!« las sie laut vor. »Und noch mal tausend Dank! Sie haben mich wieder aufgerichtet, ich fühle mich wie neugeboren.«
    Aus ihrem Mund und mit der leicht ironischen Betonung, die sie gewählt hatte, klangen diese Worte zweideutig und ziemlich abgestanden. Wagner sah beschämt zu Boden.
    »Nett von Ihnen«, meinte Schwester Birgitta. »Das kann ich aber nicht meinem Johannes zeigen.« Mit diesen Worten zerknüllte sie den Zettel und schnipste ihn geschickt in den Papierkorb, der in der Ecke stand.
    Als Wagner Minuten später zerknirscht und unzufrieden mit sich und der Welt, insbesondere mit den Frauen und speziell den verheirateten, den Parkplatz erreichte, fehlte von dem Dienstwagen jede Spur. Wagner ging zweimal die Reihen der abgestellten Fahrzeuge entlang, bis ihm langsam dämmerte, daß Lutz davongefahren war, ohne auf ihn zu warten.
    Wagner sah sich um. Vor dem Krankenhaus standen vier Taxis, die auf Fahrgäste warteten. Er holte sein Portemonnaie hervor und sah nach, ob das Geld, das er bei sich hatte, für eine Taxifahrt reichen würde. Es würde. Wagner ging zu dem ersten Taxi, öffnete den Schlag, ließ sich zufrieden grinsend in den Fond fallen und nannte dem Fahrer die Adresse. Der Fahrer ließ den Motor an und legte den Gang ein.
    »Moment, bitte!« hielt Wagner ihn auf, als er losfahren wollte. Ihm war gerade noch rechtzeitig eingefallen, daß man ihm Dienstfahrten mit dem Taxi innerhalb des Stadtgebiets nicht ersetzen würde. Er war gehalten, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, Ausnahmen wurden nur in

Weitere Kostenlose Bücher