Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinde Wut

Blinde Wut

Titel: Blinde Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scheibler
Vom Netzwerk:
Ordner, den sie Lutz reichte. Lutz schlug den Ordner auf und sah als erstes ein Foto, das einen Mann zeigte, der ihm irgendwie bekannt vorkam. »Wer ist das?« wollte er von Frau Däubler-Korth wissen.
    »Joachim Bergmann.«
    Lutz betrachtete das Foto genauer, und dann fiel ihm ein, woher er das Gesicht kannte: »Wir haben einen Film in Däublers Wohnung gefunden, und in dem Film taucht dieser Mann auf.«
    »Das ist gut möglich«, räumte Frau Däubler-Korth ein, »Bernhard war irgendwie fasziniert von Bergmann, manchmal hat er richtig von ihm geschwärmt. Jedenfalls hat er sich ihn zum Vorbild genommen für seine Pläne. Dabei hat Bergmann seine Tätigkeit sehr realistisch gesehen. Und eigentlich hat er Bernhard auch abgeraten, sich zu melden.« Sie hielt inne und zuckte mit den Schultern.
    Lutz betrachtete die Unterlagen. Es waren korrekt geführte Aufzeichnungen und Konstruktionspläne. Lutz sah zu Frau Däubler-Korth hin. »Was ist das?« wollte er von ihr wissen.
    »Bernhard wollte nach Somalia«, erklärte sie, »und das sind Pläne für einen Windrotor, mit dem er eine Bewässerungsanlage betreiben wollte.«
    Lutz sah sie nachdenklich an. »Das sieht aber alles nicht gerade nach Spinnerei aus.«
    »War es ja auch nicht«, bestätigte sie. »Diesmal hatte er es ernst gemeint. Und er wollte seine Pläne durchsetzen, auch gegen den Willen von seinem Vorgesetzten, diesem Stöckle, und auch gegen den Willen von Marion.«
    »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt?«
    »Warum? Warum? Ich sehe doch, wie es jetzt in Ihrem Kopf arbeitet. Das ist doch das Motiv, nach dem Sie die ganze Zeit suchen.«
    »Ja, es könnte ein Motiv sein«, gab Lutz zu.
    »Aber daß er deswegen zur Pistole greift?« wandte Frau Däubler-Korth ein und schüttelte zweifelnd den Kopf.
    »Ja, verdammt noch mal«, brauste Lutz auf, »weswegen dann?!«
    Eine schlüssige Antwort hatte Frau Däubler-Korth nicht parat, und Lutz mußte wieder einmal einsehen, daß nur Däubler selbst ihm diese Antwort geben konnte.
    Däublers Zustand schien sich ein wenig gebessert zu haben, als Lutz ihn am späten Nachmittag erneut im Krankenhaus aufsuchte. Er wirkte kräftiger und war auch nicht mehr so verwirrt wie noch am Tag zuvor.
    »Meine Familie, mich selbst… alles hab ich kaputtgemacht«, brachte er stockend hervor, als Lutz sich nach der Begrüßung auf einen Stuhl setzte, den er vorher neben das Bett gestellt hatte. »Das Schlimmste ist: Ich weiß nicht einmal, warum. Was um alles in der Welt hat mich veranlaßt, so etwas zu tun?«
    Er verstummte und grübelte vor sich hin. Lutz, der ihn bewußt nicht unterbrochen hatte, sprach jetzt behutsam auf ihn ein: »Waren Sie vielleicht doch eifersüchtig auf diesen Schäder?«
    »Eifersüchtig?« Däubler schüttelte verständnislos den Kopf. »Nein.«
    »Waren Sie nie eifersüchtig?« setzte Lutz erneut an. »Auch nicht, als Sie noch mit Hildegard verheiratet waren?«
    Däubler sah ihn erstaunt an. »Hildegard?«
    »So heißt Ihre erste Ehefrau. Haben Sie das auch vergessen?«
    »Nein, nein. Hildegard…« Däubler war unruhig geworden. Seine Augen flackerten hin und her, er schien sich krampfhaft an etwas erinnern zu wollen.
    Lutz beobachtete ihn gespannt. »Stimmt es, daß Sie zu Ihrer ersten Frau zurückkehren wollten?« fragte er dann unvermittelt.
    Däubler sah Lutz erschrocken an.
    »Und Marion wollte Sie daran hindern?« setzte Lutz nach.
    Däubler schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er leise, aber bestimmt.
    Er dachte krampfhaft nach. »Da ist irgend etwas. Aber… nein, ich kann es Ihnen nicht sagen, es ist alles weg«, brachte er niedergeschlagen hervor und schloß die Augen.
    Und da tauchten sie plötzlich wieder auf, diese merkwürdig verschwommenen, grellblassen Bilder: Marion, die die Poster von der Wand reißt und das Modell seines Windrotors zertrümmert, Christian, der weinend in der Tür steht, der Teddybär, der zu Boden fällt und dann ganz groß die Pistole, die sich wie von Geisterhand dreht, bis die Mündung sichtbar wird.
    Das war der Moment, auf den Lutz gewartet hatte. Er stand auf, ging zur Tür, öffnete sie und winkte Wagner herein. Wagner kam ins Zimmer. Stolz wie ein Pfau trug er das Modell des Windrotors vor sich her. In stundenlanger Arbeit hatte er es zusammen mit einem Tüftler aus dem Präsidium, der dafür bekannt war, auch für scheinbar unlösbare Fälle noch Mittel und Wege zu finden, anhand der Überreste und der Filmaufnahmen rekonstruiert. Daß sein Anteil darin

Weitere Kostenlose Bücher