Blinde Zeugen: Thriller
Haustür stand eine Mulde, randvoll mit Mörtelbrocken, einer alten Spüle und einer Matratze mit Urinflecken.
»Sie müssen uns reinlassen – wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen!«
»Ich darf nicht, okay? Ich habe –« In diesem Moment entdeckte der Constable DCI Finnie, der mit Logan und DS Pirie im Schlepptau auf ihn zumarschierte. »Chief Inspector! Sie wollen unbedingt das Opfer mitnehmen und –«
Finnie schob sich an ihm vorbei. »Niemand betritt oder verlässt das Gebäude, solange der Rechtsmediziner nicht hier ist.« Und dann gingen sie hinein.
Es war kein großes Haus – von innen wirkte es genauso kastenförmig und seelenlos wie von außen. Wie das Haus am Primrosehill Drive wurde es zurzeit renoviert. Die Wände waren bis auf die nackten Hohlblocksteine abgezogen, und der Betonfußboden war mit Staub und Gipskartonbrocken bedeckt.
Ein zweiter Constable, vermutlich der Partner desjenigen, der vor der Tür postiert war, trat ihnen an der Schlafzimmertür in den Weg. »Wir können den armen Kerl nicht einfach hier liegen lassen, das ist nicht –«
Finnie brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Wieso tragen Sie keinen Schutzanzug? Ich sagte doch, ich will, dass das Haus wie der Tatort eines Mordes behandelt wird.«
»Er hat Schmerzen !«
Der DCI starrte den PC einen Moment lang an, dann klopfte er ihm mit den Knöcheln an den Schädel. »Hallo? Hallo? Ist dieses Ding eingeschaltet? Spreche ich zu schnell für Ihr winziges Gehirn? Besorgen – Sie – mir – Schutzanzüge. Ich werde nicht zulassen, dass der Tatort noch mehr kontaminiert wird!«
Einen Moment lang sah der Constable so aus, als sei er im Begriff, seinen Schlagstock in eine intime Region von Finnies Anatomie einzuführen. Dann biss er die Zähne zusammen und würgte ein »Ja, Sir!« hervor. Zwei Minuten später kam er mit einem kleinen Stapel Overalls in Plastikhüllen, ein paar Gesichtsmasken und einer Sammlung blauer Plastik-Überschuhe zurück. »Ich denke trotzdem –«
»Wenn Sie zum Sergeant befördert werden, können Sie so viel denken, wie Sie wollen, aber bis dahin wäre es nett, wenn Sie einfach nur tun würden, was man Ihnen sagt. Und nun gehen Sie, und helfen Sie Ihrem kleinen Freund da draußen, die Tür zu bewachen. Und geben Sie mir sofort Bescheid, wenn der Rechtsmediziner auftaucht!«
Allmählich wurde es eng im Schlafzimmer. Es war ohnehin schon nicht sehr groß, aber nachdem Doc Fraser sich zu ihnen gesellt hatte, konnte man sich kaum noch rühren. Der alte Mann stellte seine Arzttasche an der Tür ab und kauerte sich neben das Opfer.
»Ist der Tod schon festgestellt worden?«
Finnie schüttelte den Kopf. »Sie sagten doch, dass Sie gerne ein lebendes Exemplar sehen würden, bevor das Krankenhaus ihn in die Finger bekommt.«
»Soll das heißen, er …« Der Rechtsmediziner tastete nach einem Puls – und der Mann am Boden stöhnte. Doc Fraser starrte zu Logan auf. »Holen Sie sofort die Sanitäter her! Dieser Mann –«
»Dieser Mann«, unterbrach ihn der Chief Inspector, »ist das einzige Beweismaterial, das wir haben. Ich weiß, es klingt hart, aber wir können es uns nicht leisten, diese Chance zu vergeuden. Also, würden Sie jetzt bitte einmal ein wenig Teamfähigkeit an den Tag legen, nur so lange, bis Sie ihn untersucht haben – oder muss ich jemand anderen herholen lassen?«
»Aber –«
»Nein, Doc, kein Aber. Wenn er in die Notaufnahme kommt, werden die dort sämtliche brauchbaren Spuren vernichten. Und wenn er zu sich kommt, wird er zu verängstigt sein, um mit uns zu reden.«
»Das ist nicht nur unethisch, es ist –«
»Es ist alles, was wir haben! Wollen Sie, dass das immer und immer wieder passiert? Wollen Sie das wirklich ? Denn es wird immer wieder passieren, so lange, bis wir endlich einen handfesten Beweis haben!«
Das jüngste Opfer, das zu ihren Füßen am Boden lag, zuckte und stöhnte.
Doc Fraser verstummte, die Stirn nachdenklich in Falten gezogen. »Sie holen jetzt als Allererstes einen von den Sanitätern her und lassen diesem Mann ein Schmerzmittel und ein Sedativum verabreichen, sonst gehe ich und rufe auf der Stelle die Interne Dienstaufsicht an. Verstanden?«
Zwei Minuten später zog ein Sanitäter mit ernstem Gesicht eine Nadel aus dem Arm des Opfers, drückte einen Wattebausch auf die Einstichstelle und befestigte ihn mit Heftpflaster. »Das gefällt mir ganz und gar nicht.«
Der Rechtsmediziner verzog das Gesicht. »Da sind Sie nicht der
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