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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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von der Sonne von einem Hauch Rot überzogen. Sie war ganz in Schwarz gekleidet. Von Kopf bis Fuß. Schwarze Lederstiefel, schwarzes Wollhemd, schwarze Cordjeans. Starkes, wenn auch milchiges Licht strömte durch die Bäume, färbte die Flöte perlgrau und schimmerte auch auf dem Stoff des Hemdes mit dem hohen Kragen, der bis unters Kinn zugeknöpft war. Die Jeans steckten in den Stiefeln. Nur ihre Hände und ihr Gesicht waren nicht bedeckt und im Kontrast zu der dunklen Kleidung und dem dunklen Haar sehr hell. Sie hörte auf zu spielen, hielt die Flöte mit beiden Händen fest und starrte einen Moment auf das Gelände. Dann drehte sie den Kopf und starrte Jury an.
    Der stellte lächelnd fest, daß sie ziemlich grell geschminkt war. Lipgloss, dunkellila Lidschatten, schwarzer Eyeliner. Das alles in seltsamem Gegensatz zu ihrem düsteren Outfit und Alter, das er offenbar falsch eingeschätzt hatte. Sie war ein Mädchen - beinahe noch ein Kind-, keine junge Frau. Was er für knabenhafte Schlankheit gehalten hatte, war lediglich eine noch unentwickelte Figur.
    Einigermaßen verwirrt blieb Jury eine Weile stehen. Sie musterten einander, und der Groschen wäre immer noch nicht gefallen, wenn nicht der Hund aus dem Gestrüpp auf die Lichtung gekommen wäre. Er sah wirklich aus wie die Kojoten, die er auf Bildern gesehen hatte - lange, dünne Beine, fuchsähnliche
    Schnauze, pechschwarze, von weißen Haaren umgebene Lippen, das silbrige Fell hatte die Farbe von Beifuß oder der Grasbüschel, an denen er auf dem Weg hierher entlanggefahren war. Und die Augen waren transparent, beinahe farblos.
    Der Hund trottete herbei und blieb zwischen den beiden stehen, die Ohren nach vorn gerichtet, die großen eiswasserkalten Augen durchbohrten Jury.
    Jury räusperte sich freundlich (er hoffte, daß es auch so ankam). »Was macht dein Hund?«
    »Nichts. Er sagt nur hallo.«
    »Polizeihunde habe ich noch nie so hallo sagen sehen.«
    »Er ist ja auch kein Polizeihund«, sagte sie. Logisch. Dann durchbohrten ihre Augen ihn. Sie hatten dieselbe Farbe wie die des Hundes. »Sind Sie auch ein Polizist?«
    »>Auch< weiß ich nicht, aber ja, ich bin Polizist.«
    Sie ließ die Schultern sinken, und er hörte, wie sie leise »au, verdammt« sagte.
    Jury behielt den sogenannten Hund im Blick, um mitzukriegen, was er vorhatte. Maß die Entfernung zwischen sich und dem Tier. »Bist du Mary Hope?«
    Sie zog die Stirn in tiefe Falten. Dann spitzte sie den Mund und kaute an ihrer Lippe. Mit einer unbewußten, weiblich-koketten Geste warf sie ihr langes Haar über die Schulter zurück. »Mary Dark Hope.« Sie seufzte und zeigte zum Parkplatz. »Das Auto steht da hinten.«
    »Das Auto?« Er trat einen Schritt vor, worauf sich auch der Hund sofort bewegte. Es war wie im Film, wenn der Bodyguard des Mafiabosses nach seiner Knarre greift. Vorsichtshalber ging Jury ein paar Schritte zurück. »Was macht er?«
    Sie stöhnte. »Er ist nur freundlich.« Schweigen. Jury konnte beinahe sehen, wie sich die Rädchen in ihrem Kopf drehten. »Deshalb nenne ich ihn ja auch Sunny.« Dann fügte sie hinzu: »Deutsche Schäferhunde sind so. Sind Sie nicht von der Polizei? Sind Sie nicht wegen des Autos hier?«
    »Nein.« Als der Hund sich bei dieser Antwort zu entspannen schien, fügte Jury mutig hinzu: »Ich bin von Scotland Yard.«
    Sie neigte den Kopf und musterte ihn wieder. Eine winzige Bewegung, eine der wenigen, die sie gemacht hatte, seit sie ihn gesehen hatte. Sie rührte sich nicht, hielt weiterhin die Flöte fest. Ein reizendes Pärchen: Mary Dark Hope und der Kojote Sunny. »Dann wollen Sie mich wohl nicht verhaften.« Jury überlegte, bevor er antwortete. Dann sagte er feierlich: »Noch nicht.«
    Die Antwort gefiel ihr. »Aber wahrscheinlich wollen Sie mit mir reden.«
    Jury lächelte breit. »Ja, genau.«
    Sie hatte soviel »Schmiere« im Gesicht (erzählte sie ihm, als sie über den Pfad zurück zu den Autos gingen), damit sie älter aussah, alt genug zum Fahren. Alt genug, damit sie durch das Parktor kam. Auf der Fahrt von zu Hause hierher hatte sie Angst gehabt, die Polizei würde sie erwischen. An ihrem Auto, einem staubigen alten Ford, lugte Jury durch das Fahrerfenster. »Telefonbücher?«
    »Ich muß ja größer aussehen.«
    »Du bist beinahe dreihundert Meilen gefahren und hast dabei auf Telefonbüchern gesessen?«
    Weil sie ihm genau das ja soeben erzählt hatte, ersparte sie sich die Antwort, lehnte sich an den Ford und behielt den Blick starr auf

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