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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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kriegen. Wo kommen im Februar all diese Leute her? Was ist in Colorado?«
    »Aspen, Telluride - um nur zwei Orte zu nennen. Sie sollten Colorado unbedingt sehen, bevor Sie wieder abfliegen.«
    Jury stöhnte. Offenbar wollte Jack seine kostbare Information so lange wie möglich für sich behalten. »Was ist so wichtig, Jack?«
    »Na, Sie werden überrascht sein.«
    »Toll. Dann schießen Sie los.« Jury studierte die mexikanischen Kacheln, mit denen die Wand vor ihm dekoriert war.
    Dann hörte er Zellophan oder sonstwas knistern und knacken. Als Jack wieder in der Leitung war, aß er. »Okay, die Kolle'n in Co-lo-ahdo -«
    »Jack, schlucken Sie erst mal runter, bitte.« Als versuchte man, mit Wiggins zu sprechen, wenn er gerade Nasentropfen nahm. Jury fuhr mit dem Finger über das Einlegemuster der Kacheln und ermahnte sich, daß er Wiggins Blumen schicken mußte. Na ja, in ein paar Tagen war er sowieso zurück.
    »Verzeihung. Heute morgen war jemand von der Staatspolizei aus Colorado und ein paar andere Typen hier, und sie haben über Mesa Verde geredet.« Erneut vernahm Jury Kaugeräusche, bestimmt hatte Jack wieder in die Pizza, das Sandwich oder was sonst gebissen. »Also, er hat über die Ruinen geredet - die großen wie Spruce Tree House und so weiter, und dann die kleineren, die nur Nummern tragen. Und raten Sie, was?«
    Jury stöhnte. »Kann ich nicht. Sie wollten mich doch überraschen!«
    »Gut, manchmal geben sie den kleineren auch Namen, einfach so aus Spaß, glaube ich.«
    Das folgende Schweigen zog sich in die Länge, wieder raschelte Papier. Dann half Jury seinem Kollegen auf die Sprünge. »Und?«
    »Also. Eins heißt Coyote Village. Wenn Sie hinwollen, nehmen Sie am besten hier ein Flugzeug und mieten sich dort ein Auto. Sonst brauchen Sie sechs Stunden.«
30
    Mit den Worten, er habe nur noch eine Stunde, da sie bei Sonnenuntergang schließen würden, gab ihm der Parkwächter am Eingang eine Karte von Mesa Verde. Als Jurys Mietauto über die kurvenreiche Straße kroch, knallte die Sonne auf die Windschutzscheibe, als habe sie den Hinweis des Wächters gar nicht gehört. Noch war der Tag kalt und blau, die Wolken türmten sich, und die Luft war wie Glas. Inmitten silbriger Grasbüschel blühten zarte weiße Blumen am Straßenrand, deren Namen er nicht kannte.
    Jury wußte genau, wie er die Ruine fand, die man spaßeshalber Coyote Village getauft hatte: ungefähr fünfzehn Meilen bis zum Besucherzentrum und dann noch zwei Meilen. Warum er jedoch diesen Kurztrip unternahm, war ihm wesentlich obskurer. Vielleicht entdeckte er etwas, höchstwahrscheinlich nicht.
    Er mußte das angeblich zur Linken befindliche Schild übersehen haben, denn auf einmal landete er neben einer der Hauptattraktionen, dem Cliff Palace, steuerte das Auto auf den Parkplatz und stieg aus. Von der Spitze des Plateaus aus schaute er in den Canyon, der sich tief unten durch die Felsen wand. Das Pueblo war wie ein Amphitheater in den Felsen hineingebaut. Es war ein höhlenartiger, drei- bis vier- stöckiger Wohnkomplex, so in Stufen errichtet, daß die Dächer zu Veranden wurden. Die Anasazi hatten ihn buchstäblich mit bloßen Händen erbaut. Er war riesengroß. Jury schätzte, daß es mehr als zweihundert Räume darin gab. Während er hinunterschaute, zog er seinen Mantel enger um sich. Was war aus den Anasazi geworden? Wo waren sie hingegangen? Warum waren sie weggegangen? Wovor waren sie geflohen und hatten alles, was sie gebaut hatten, zurückgelassen? Ein gefährlicher Gedankengang, denn Jury mußte wieder an Jennys Verschwinden denken. »Verschwinden« war sicher übertrieben. Aber einen Felshang anzuschauen und über eine ganze untergegangene Zivilisation nachzudenken war auch kein Trost. Ein kalter Wind erhob sich und blies Tumble-weed-Knäuel über die Kante, wo er stand. Schließlich stieg er wieder ins Auto, er war der einzige Besucher auf dem Parkplatz. Er fuhr zurück und hielt nun konzentrierter Ausschau nach Coyote Village.
    Er stand neben dem Auto und lauschte. Er hörte nichts als einen undeutlichen, entfernten Vogelruf, der so schwach war, daß er sogar dachte, er bilde sich ihn ein.
    Musik.
    Es war kein Vogelgesang, sondern Flötenspiel. Als er auf die Lichtung trat, blieb er wie angewurzelt stehen. Eine junge Frau spielte Flöte, ein langsames, trauriges Stück, als halte sie ganz allein eine geheime Zeremonie ab.
    Sie war eher klein, dünn und knabenhaft. Ihr glattes, langes Haar war dunkelbraun, mahagonifarben,

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