Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
ein Hund oder eine Katze. Besonders eine Katze. Katzen konnten eine Ewigkeit vollkommen reglos dasitzen und sich auf etwas konzentrieren, was ein Mensch überhaupt nicht bemerkte.
    Und dann dachte sie: Genauso sind die Wissenschaftler im Santa Fe Institute. Auch sie können sich stundenlang auf eine Idee konzentrieren. Mary gefiel die Vorstellung, daß ein Ort ausschließlich und nur zum Denken existierte. Kluge Leute gingen dorthin, um zu denken. Was sie erstaunte, weil soviel auf der Welt gedankenlos war. Und dann die Möglichkeit, sein Geld damit zu verdienen, daß man den lieben, langen Tag herumsaß und nachdachte wie Dr. Anders. Toll!
    Mary legte die Hand ans Kinn und dachte über Dr. Anders nach. Und Angela. Sie vermutete, daß er in sie verliebt war - gewesen war. Wie er schon immer im Laden rumhing! Angie jedenfalls war in ihn verliebt gewesen. Das hatte Mary gemerkt. Und es überraschte sie nicht. Aber daß er ihre Gefühle erwiderte, hatte sie überrascht. Denn Denken war nicht unbedingt Angelas Sache gewesen. Klar, es sah so aus, sie mit ihrem ewigen Meditieren und Lesen und den Trips nach Sedona. Der ganze Stuß über das Zentrum der Erde hatte ungefähr so viel Sinn, wie mit einer Wünschelrute rumzurennen und Wasser zu suchen. Obwohl sie zugeben mußte, daß Wünschelrutengänger durchaus einem nützlichen Zweck dienten. Denn manchmal fanden sie, was sie suchten. Aber selbst so praktisch hätte Angela nie gedacht. Angie war nicht sehr eigenständig, sie wartete eher, daß ihr die Dinge in den Schoß fielen, als daß sie selbst irgendwelche Anstrengungen unternahm.
    Beschämt ließ Mary von diesen kritischen Gedanken ab. Um in irgendeiner Weise Buße zu tun, beschloß sie, einen Gebetsstab zu machen, nur einen ganz primitiven. Sie nahm zwei Zweige vom Boden. Es hätten eigentlich Weidenstöcke sein müssen, aber die gab es hier nicht. Dann suchte sie eine Feder, fand nur eine von einem Geier und entschied, die müsse es auch tun. Es würde ein echt schäbiger Gebetsstab werden, aber da (laut Rosella) Frauen sowieso keine machen durften, sondern nur Männer, hatte er wahrscheinlich eh keine Macht. Mary errichtete ein Kreuz. Unten beschwerte sie es mit einem Stein. Da sie nicht an die Kraft des Gebetes glaubte, mußte der Gebetsstab für sie arbeiten, das heißt, wenn er überhaupt Macht besaß.
    Angelas Glaube an das Mystische - die AuraAusgleicher, die Leute, die sich für andere Erfahrungen öffneten - hatte Mary immer völlig kaltgelassen. Anders verhielt es sich mit dem, was die Indianer glaubten. Wie diese betrachtete Mary die Natur von einem materialistischen Standpunkt aus. Alles, was Geist war, war mit der materiellen Welt verbunden. Die Zuñi opferten ganz praktische Dinge - Kleider und Essen. An die Wirkung von nützlichen, elementaren Opfergaben konnte Mary leichter glauben als an Angelas Gebete an eine aufgetakelte Version Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Mary zog eine Frühstückstüte aus der Tasche, sie enthielt ein wenig von Rosellas Schmuckmaismehl, Maismehl mit Türkis- und Korallenstückchen gemischt. Mary wußte nicht, was sie damit anfangen sollte, aber sie schaute es gern an.
    Sie bog sich rücklings über den Felsen, blieb mit den Füßen auf dem Boden und berührte mit dem Hinterkopf die Erde auf der anderen Seite. Sie hatte es gern, wenn ihr das Blut in den Kopf floß, und sie schaute sich die Welt auch gern verkehrt herum an. Wenn jetzt jemand vorbeikäme, wie sähe sie wohl aus? (Hier kam aber nie jemand vorbei.) Wie ein Akrobat? Eine Tänzerin? Sie wollte weder das eine noch das andere sein. Oder würde sie wie jemand aussehen, der Krämpfe oder einen Anfall hatte? Nein, das glaubte sie auch nicht. Sie streckte die Arme nach hinten, so daß ihre Handflächen flach auf dem Boden lagen. Das wirkte bestimmt wie eine Turnübung. Hoffentlich meinte Sunny nicht, ihr sei etwas passiert, und kam angetapst und leckte ihr das Gesicht ab. Nein. Sie hörte, wie er irgendwo herumscharrte und -grub, und fragte sich, was für einen Schatz er wohl gefunden hatte. Sunny vergrub immer Sachen und buddelte sie dann wieder aus.
    Das erinnerte sie an Angie, als sie mal diesen Anthropologiekurs mitgemacht hatte und zu einer Ausgrabung losgezogen war. Nein, Archäologie. Anthropologie war was anderes. Anthropologie, Archäologie. Beides klang gleich langweilig. Aber diesen Felsen mochte sie. Er hatte etwas Tröstliches. Wenn sie ihren Körper so darum wand, verscheuchte sie die schmerzlichen

Weitere Kostenlose Bücher