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Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Gedanken und Bilder aus ihrem Kopf. Der Felsen stützte sie im Kreuz, sie hob die Arme und verschränkte sie vor der Brust. Etwas Tröstliches. Gut, so tröstlich ein Felsen eben sein konnte. Aber sie mochte ihn; sie betrachtete ihn immer als ihr Eigentum. Jedesmal, wenn sie und Sunny hierherkamen, landete sie hier. Sie mochte sein changierendes Grau, die Riffel, die Dellen, den winzig kleinen Fluß - einmal hatte sie beobachtet, wie Regen durch die Rinne floß, die um den Felsen lief, und das sah aus wie ein Minifluß. An manchen Stellen war das Flußbett so schmal wie ein Faden, zur Erde hin wurde es breiter. Und sie liebte die Vorstellung, daß sie diesen Sitz obendrauf glattgesessen hatte, denn er war perfekt geformt. Aber natürlich hatte nicht sie ihn glattgeschliffen, sondern das Wetter.
    Dann begann sie über Felsen nachzudenken. Felsen, Bäume, die Piniensträucher. Besaßen sie irgendeine Art von Intelligenz? Und würde Dr. Anders das ein »tiefes« Problem nennen? Er hatte ihr einmal die verschiedenen Kategorien von Problemen erläutert. Zum einen gab es die, die jeder Wissenschaftlerkollege lösen konnte; dann die, für deren Lösung man berühmt wurde und Preise kriegte. Aber ein »tiefes« Problem versetzte selbst einen hochintelligenten Wissenschaftler in Erstaunen, und es dauerte lange, es zu lösen. Es reichte tief ins Universum.
    Dr. Anders war der einzige Mensch in Santa Fe, der Mary als intelligentes menschliches Wesen behandelte. Er redete nicht von oben herab mit ihr, selbst wenn er über seine Theorien und seine Arbeit mit ihr sprach. Und das war wirklich schwer zu verstehen. Zu komplex. Aber es ging ja auch um Komplexität. Dort drüben im Santa Fe Institute saßen sie und dachten über Komplexität und Chaos nach. Den Rand des Chaos. Sie hatte das Buch gelesen, das er Angela geschenkt hatte. Zweimal. Aber nur ab und zu ein paar Sätze begriffen. Mehr als die meisten, hatte Dr. Anders lächelnd gesagt. Angela hatte lediglich die ersten paar Seiten gelesen und dann aufgegeben. »Zu hochgestochen«, war ihr Kommentar. Da war Mary überrascht gewesen, es war doch schließlich Dr. Anders' Arbeit. Sollte sie nicht wenigstens versuchen, sie zu verstehen? Nun überlegte Mary wieder, warum er in Angie verliebt gewesen war. Ihm waren ihre Schwächen wohlvertraut, und er hatte auch gar kein Hehl daraus gemacht. Als Mary einmal erwähnt hatte, daß ihre Schwester in dem Ruf stand, zu verträumt zu sein, hatte Dr. Anders gelacht und gesagt: »Zu faul, meinst du.« Es hatte Mary erstaunt, daß er das begriffen hatte. Aus purer Faulheit hatte Angela sein Buch nicht gelesen.
    Er war immer da: im Laden in der Canyon Road, manchmal zum Essen bei ihnen zu Hause. Was ihr nur recht war. Sie hoffte nur, daß er nicht deshalb nett zu ihr war, weil er sich bei Angela lieb Kind machen wollte. Aber das glaubte sie eigentlich nicht. Er war zu aufrichtig. Er war zu echt. Irgendwie war er wie Sunny, der dort hinten mit unglaublicher Geduld darauf wartete, daß aus den Felsen oder den Bäumen etwas auftauchte. Sie kannte auch andere Menschen - wie zum Beispiel Malcolm Corey -, die kamen ihr so leicht vor wie Rauch, den man mit der Hand zerteilen konnte.
    Malcolm Corey, fand sie, hatte eher etwas Trauriges als etwas Lächerliches. Er wollte so verzweifelt gern ein Filmstar sein oder wenigstens die zweite Hauptrolle kriegen. Doch er bekam immer nur diese
    Miniauftritte, Rollen, die nie zu irgendwas führten. Und obendrein war er ein schrecklicher Maler. In gewisser Weise mußte sie ihn bewundern dafür, daß er, obwohl er es beim Film nie schaffen würde, wenigstens versuchte, etwas anderes zu machen, auch wenn das genausowenig erfolgversprechend war. Jeder, der auch nur einen Pinsel in der Hand halten konnte, schien in Santa Fe zu landen. Wenn man in der Mitte der Plaza stünde und, egal, wohin, einen Stein würfe, würde man immer eine Galerie treffen. Trotzdem konnte sie verstehen, daß Maler hierherkamen. Den ganzen Kommerz verabscheute sie, aber Santa Fe und die Wüste darum herum besaßen eine Schönheit, die auch noch so viele Schickimickigaleri-en, geschnitzte Kojoten und Türkisschmuck nicht ruinieren konnten. Sie liebte die endlos weite umbra-farbene Wüste, die sie umgebenden dunklen Berge, die herrlichen Sonnenuntergänge, das Licht wie geschliffenes Glas. Manchmal dachte sie, sie müßte nur mit dem Finger daran klopfen und es würde klingen wie Kristall.
    Sie verspürte nicht den geringsten Wunsch, Künstlerin

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