Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Eifer

Blinder Eifer

Titel: Blinder Eifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
Ordnung sei. Die Kugel hatte die Luft direkt über ihrem Kopf zerrissen und die Scheibe des Kabuffs hinter ihr zerschmettert. Zuerst erstarrte Mary in ihrer gebückten Haltung, aber dann glitt sie unter der Tür in der Thekenplatte hindurch und schob sich vorsichtig zwischen ein Regalende und die Kachinasa-chen. Die Haarpflegeprodukte waren um die Ecke. Kein großartiges Versteck, denn bei Licht konnte man sie sofort sehen, aber sie fühlte sich hier ein wenig sicherer. Und wenn an Rosellas Philosophie etwas dran war, dann wurde sie von all den Göttern beschützt, die die Kachinapuppen darstellten. Verlassen wollte Mary sich aber nicht darauf.
    Plötzlich knallte und krachte es. Glas zerbrach. Wieder war die hintere Theke das Ziel. Woher kam das Krachen? Kannte Dolly ihre eigene Apotheke so wenig, daß sie gegen die Regale lief?
    Wieder ein Krachen, wieder was umgekippt. Der Ständer mit den Taschenbüchern vielleicht, denn man hatte zwar das metallische Rumsen, aber nichts zerbrechen gehört. Wieder ein Schuß, diesmal nach vorn.
    Sunny! Das mußte Sunny sein, der mit Absicht alles umwarf, was ihm in die Nähe kam, auf ihn zielte Dolly im vorderen Teil des Ladens. Schoß sie mit einem Revolver oder einer Automatik?
    Wie viele Schüsse hatte sie drin? Wie viele Schüsse waren in einem Lauf oder einem Magazin? In einem Lauf sechs, dachte Mary. Aber in einer Automatik? Gott! Hätte sie doch bloß diese dämliche Nancy Drew aufmerksamer gelesen.
    Sie drehte sich schnell um, ging einen Schritt nach vorn, schnappte sich eine von den großen Plastikflaschen aus der Sebamed-Familie mit flüssiger Seife und wirbelte wieder herum. Sie hatte drei Schüsse gehört. Vielleicht hatte Dolly ja noch ein Magazin dabei. Doch das bezweifelte Mary, Dolly hatte bestimmt gedacht, ein, zwei Schüsse reichten.
    Einer reichte, dachte Mary und schraubte die Flasche auf. Und Dolly war wahnsinnig, aber nicht dumm. Mittlerweile mußte sie gemerkt haben, daß sie ins Blaue schoß und die Geräusche sie nur ablenken sollten .
    Doch dem war nicht so. In den zwei, drei Sekunden bis zum vierten Schuß rannte Mary in den Gang und leerte die Flasche in Zickzackmuster einen halben bis einen Meter auf den Boden. Gleichzeitig schnappte sie sich einen Behälter von dem zweiten Regal darüber - Haarpflegemittel - und rannte wieder zu ihrem ursprünglichen Versteck hinter den Ka-chinasachen.
    Sunny. Sunny. Mary Dark Hope hielt den Behälter bereit und betete. Das mußte jetzt - wie sagte man so schön? - exakt in Szene gesetzt werden. Sie spürte, wie ihr Gehör überfein wurde, alle ihre Sinne waren in Alarmbereitschaft. Sie hätte gehört, wie die berühmte Stecknadel gefallen wäre. Sie vernahm die gedämpften Geräusche von jemandem, der sich durch den Gang heranschlich.
    Sunny. Mary erstarrte. Sie war stark versucht, einfach hier hinter den schwankenden Puppen stehenzubleiben und zu hoffen, man könne sie nicht sehen und die Dinger würden nicht umkippen. Das war natürlich dumm. Sie war nicht unsichtbar! Jetzt herrschte die tiefste Stille, die sie sich vorstellen konnte. Wie in einer Höhle. Aber sie spürte, wie die Person immer näher kam.

Dann ertönte ein langer Schrei, und die Regale schwankten wie unter dem Gewicht von jemandem, der Halt daran suchte. Schwankten zu sehr auf eine Seite und krachten schließlich mit Getöse zu Boden. Aber von Dolly weg, nicht auf sie. Mary rannte wieder vor, zielte und hielt Dolly die Öffnung des Schaumfestigers vors Gesicht. Sie drückte drauf. Dolly geriet so viel Schaum in die Augen, daß sie nicht erneut zielen konnte. Gleichzeitig sprang Sunny vor, warf die halb kniende Gestalt rückwärts auf die glitschigen Kacheln und hielt sie mit den Pfoten auf der Brust am Boden fest. Schwanz und Ohren aufgestellt, fletschte Sunny die Zähne, sein aufgerissenes Maul war nur wenige Millimeter von ihrem Gesicht entfernt. Einen so furchterregenden Anblick oder ein so schreckliches Geräusch hatte Mary noch nie gesehen und gehört, weder bei einem Hund noch bei einem Kojoten. Dolly hielt die Waffe immer noch in der Hand, aber sie zu heben und zu schießen hätte eine Sekunde länger gedauert, als Sunny gebraucht hätte, ihr die Zähne in den Hals zu schlagen.
    In dem nun allmählich durch die Fenster fallenden Licht sah Mary alles. Sie schaute sich in dem Raum um. Graues Licht strömte durch die Scheiben, und dahinter breitete sich über den niedrigen Hausdächern ein Streifen stumpfen Goldes aus und beleuchtete die

Weitere Kostenlose Bücher