Blinder Einsatz
seltsame Nacht, als Constance ihn verlassen hatte, an die Pokerpartie mit Judith und ihre Kommentare. Dann hatte es auf einmal an der Tür geklingelt. Er hörte noch, wie sein Herz im Dunkeln wie verrückt schlug. Die Stunden bis zum Morgen waren ihm unendlich lang vorgekommen. Er hatte einige merkwürdige Dinge in sein Heft notiert und schließlich über seine Angst gelacht. Was bildete man sich nicht alles ein!
Er hatte die Arbeiten seiner Studenten zu Ende korrigieren wollen, sich aber nicht konzentrieren können. Am nächsten Vormittag klopfte es an der Tür. Als er öffnete, kassierte er einen Kinnhaken, der ihn rücklings zu Boden streckte. Zwei ihm völlig unbekannte Männer stürzten sich auf ihn und überwältigten ihn im Handumdrehen. Sie drohten, ihn umzubringen, wenn er nicht mit ihnen kam.
Gewaltsam beförderte man ihn in ein Auto. Mit heftigen Kopfschmerzen war er dann in diesem kalten, dunklen Zimmer aufgewacht. Die ersten Stunden waren die schlimmsten gewesen. Mehrere Männer wechselten sich dabei ab, ihn mit nicht gerade zimperlichen Methoden zu verhören.
»Mit wem hast du darüber gesprochen? Was hast du verstanden?«
Hughs Antworten schienen seine Entführer nicht zu überzeugen, und so hagelte es Schläge.
»Aber ich sage Ihnen doch, dass ich keine Ahnung habe, wovon Sie reden. Nein, ich habe niemandem etwas gesagt.«
Nachdem sie ihn zwei Tage lang auf diese Weise traktiert hatten, war Hugh klar, dass er ernsthaft in der Klemme steckte. Einer der Entführer kam zu ihm.
»Deine Freundin versucht dich zu erreichen. Erklär ihr möglichst glaubwürdig deine Abwesenheit … Und versuch ja nicht, uns reinzulegen.«
»Meine Freundin?«
»Ja, wer sonst nennt dich ›mein Schatz‹, wenn er dir eine SMS schreibt?«
»Okay, okay«, stotterte Hugh.
»Also, was willst du ihr sagen?«
»Ich weiß nicht, vielleicht, dass ich zu einer Konferenz ins Ausland musste.«
»Wohin?«
»Nach Amsterdam.«
»Ist das glaubwürdig?«
»Sie findet es wahrscheinlich merkwürdig, dass ich es ihr nicht vorher erzählte habe. Aber ich habe dort schon einmal eine Konferenz besucht.«
»Gut, dann schreibe ich ihr das. Es ist in deinem Interesse, dass sie dir glaubt.«
»Wann lassen Sie mich frei?«
»Wenn wir sicher sind, dass du uns nicht belogen hast«, entgegnete der Mann knapp und schob ihm wieder den Knebel in den Mund.
Die folgenden Tage verbrachte er in fast völliger Einsamkeit. Nur von Zeit zu Zeit kam jemand vorbei, um ihm Wasser und ein bisschen Essen zu bringen. Keine Information, keine Antwort, die ihm Hoffnung machte, dass dieser Albtraum bald ein Ende hätte. Das Schlimmste war, dass er sich so ohnmächtig fühlte. Constance würde sich irgendwann schon wieder beruhigen, ebenso sein Professor und die Studenten, die händeringend auf die korrigierten Arbeiten warteten. Aber wie sollte man ihn finden? Auf der Fahrt hierher war er bewusstlos gewesen, und so hatte er nicht die geringste Ahnung, wo er gefangen gehalten wurde. Er wusste nicht, ob sie eine oder mehrere Stunden unterwegs gewesen waren. Seine Gedanken verloren sich zwischen Wahnvorstellungen und der Realität.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Hugh war von dem grellen Licht geblendet.
»Hör auf, uns an der Nase herumzuführen! Wir haben den E-Mail-Verkehr zwischen deiner Freundin Constance und deinem Freund Will entdeckt. Du hast uns gesagt, du hast ihnen nichts erzählt. Wozu hast du dir dann diese Notizen gemacht?«
Bei jedem Wort prasselten Schläge auf ihn ein.
»Aber ich habe nicht gelogen. Wirklich! Ich weiß nicht, was Sie suchen. Ich habe nur versucht zu kapieren, warum man mich online bedroht hat. Das ist alles.«
»Hör zu, dieser Will ist tot, und wir überwachen deine Freundin. Wenn dir etwas an ihr liegt, weißt du, was du zu tun hast. Warum hast du dieses Zeug auf das Blatt gekritzelt?«
Hugh konnte gar nicht so schnell antworten, wie sie auf ihn einschlugen.
»Mach schon, ein bisschen plötzlich, wir wollen eine Antwort!«, schrie einer der Entführer. »Und vergiss nicht, was ich dir gerade gesagt habe …«
Wie waren Will und Constance in diese Geschichte hineingeraten? Hugh vermutete, dass alles mit jenem merkwürdigen Pokerabend zusammenhing, aber der Rest war ihm ein Rätsel. War Will wirklich tot, oder wollte man ihn damit nur verunsichern? Und glaubte Constance tatsächlich, dass er in Amsterdam war?
Hugh dachte nur noch an Flucht. Bislang hatte er zwischen Resignation, Benommenheit und Dämmerschlaf
Weitere Kostenlose Bücher