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Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
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früher hier und da meine Eltern belogen. Doch diese Lüge sollte Folgen haben. Aber ich konnte einfach nicht anders, ich brachte nicht die Kraft auf, meine Mutter zu enttäuschen. Nun hieß es, entschlossen zu studieren und die Scharte auszuwetzen.
    Und so kehrte ich mit neuem Schwung nach Harvard zurück. Ich verzichtete auf weitere Techtelmechtel und verbrachte stattdessen viele Stunden in der Bibliothek. Rasch stellten sich Erfolge ein. Nach ein paar einsamen Wochen wandelte sich wie selbstverständlich mein Freundeskreis. Regelmäßige Telefonate mit meiner Mutter spornten mich an, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Es war ein Nachmittag im April, als ich feststellte, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte. Gerade meldete sich zaghaft der Frühling. Es ging ein leichter Wind, der mich nicht davon abhielt, mich mit einem Buch – Stendhals Rot und Schwarz – auf eine Bank zu setzen.
    »Hallo.«
    Ich merkte nicht gleich, dass ich angesprochen worden war, die Stimme hatte sich einfach in meine Tagträumereien gemischt.
    »Hallo.«
    Als ich aufsah, stand meine hochnäsige Schöne, Ashley McCullan, vor mir. Ich war so baff, dass ich keinen Ton herausbrachte.
    »Störe ich?«
    »Nein, nein, überhaupt nicht«, stammelte ich.
    »Also, ich habe dein Referat in Kulturwissenschaft gehört und mich gefragt, ob du mir vielleicht dein Manuskript überlassen kannst.«
    »Mein Manuskript?«
    »Ja. Ich würde es gerne lesen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die nächste Klausur das gleiche Thema behandelt, das würde mir bestimmt helfen.«
    »Ja, natürlich«, murmelte ich fast unhörbar vor mich hin, riss mich dann aber zusammen und sagte laut: »Aber gerne, kein Problem.«
    »Hier die Nummer meines Zimmers, bring es einfach vorbei, wann immer es dir passt.«
    Sie reichte mir einen Zettel. Machte sie mir etwa Avancen? Die Zukunft sah auf einmal ganz rosig aus. Dieses Semester beendete ich mit ausgezeichneten Noten, und so ging es die nächsten drei Jahre weiter. Ich spezialisierte mich auf Finanzwirtschaft, um gemeinsam mit Ashley Seminare belegen zu können. In gewisser Hinsicht war ich eine Karikatur meiner selbst geworden. Meine Mutter hatte Wert darauf gelegt, dass meine Erziehung nicht in den gewohnten Bahnen verlief, und erwartet, dass mir dadurch vieles leichter fallen würde. Im Leben muss sich eben stets alles ändern, wenn es gleich bleiben soll. Allerdings ging ich nie ganz in der neuen Rolle auf. Wenn ich mit Ashley über den Campus spazierte, sah ich mich manchmal wie von außen und klopfte mir auf die Schulter: »Du hast es geschafft!« So als wolle ich mich selbst ermutigen, etwas entschiedener daran zu glauben.
    Am Ende von vier Studienjahren hatte ich den begehrten Abschluss in Händen, 1973 war die Promotion unter Dach und Fach. Ich war in ein Netzwerk von Kommilitonen eingebunden, das mir weiterhelfen würde. Die Sache mit Ashley ging vier Monate vor dem Ende des letzten Semesters zu Ende. Wahrscheinlich hatten wir beide gemerkt, dass wir doch zu verschieden waren – ich gestehe, dass ich nur eine blasse Erinnerung an unsere Trennung habe. Wie zu erwarten wurde ich von zahlreichen Unternehmen umworben, die darin wetteiferten, mir die vorteilhaftesten Bedingungen zu bieten. Doch es war nichts darunter, das mich reizte. Eigentlich hatte ich die Wirtschaftsseminare nur wegen Ashley belegt. Nun war ich nicht mehr mit ihr zusammen – welchen Grund hätte ich da noch haben sollen, mich lebendig in einer Bank begraben zu lassen?
    Ich ließ mir ein paar Wochen Zeit. Schließlich stieß ich in einer Bostoner Wirtschaftszeitung auf eine Reportage über einen Unternehmer, der auf der Suche nach der Finanzierung für ein ungewöhnliches Vorhaben war: Er wollte Kultur verkaufen. Seine Grundidee war, dass ein Unternehmen seine Produktivität und seinen Profit erhöhen kann, indem es das kulturelle Niveau seiner Angestellten hebt. Der Unternehmer, der Kultur als Dienstleistung anbieten wollte, hieß Paul Watford. Schon beim ersten Telefonat erklärte er mir, dass er die Sache groß aufziehen wolle. Er hatte schon einige größere Projekte auf die Beine gestellt und beträchtliche Gewinne gemacht. Ich ließ mir einen Vorstellungstermin geben.
    »Ich bin ein wenig erstaunt, dass Sie das Risiko eingehen wollen, mit mir zu arbeiten. Mit einem Abschluss wie Ihrem erhalten Sie sicherlich eine Menge Angebote, die lukrativer und sicherer sind als das, was ich Ihnen bieten kann.«
    »Mag sein. Aber in einem Studium

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