Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Einsatz

Blinder Einsatz

Titel: Blinder Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Lafani , Gautier Renault
Vom Netzwerk:
Spaziergang, einen klaren Kopf zu bekommen. Er schlug den Mantelkragen hoch, zündete sich eine Zigarette an und lief über die breiten Bürgersteige. Schon seit Jahren fuhr er fast nur noch mit dem Taxi oder in seinem schnurrenden Jaguar ins Büro, zum Flughafen oder in die teuren Restaurants der Stadt. Seine Freizeit verbrachte er so gut wie nie in London. Er war es sich einfach schuldig, im Urlaub nach Bali oder Thailand zu jetten und an den Wochenenden zum Skilaufen nach Gstaad oder Chamonix zu fliegen. Ein Trip nach Sussex war nicht mondän genug. Von London kannte er nur die Bars und angesagten Clubs. Schon ewig war er nicht mehr in einem Pub gewesen, um sich ein Fußballspiel anzuschauen. Doch nun hatte er plötzlich den Eindruck, die Stadt wieder neu zu entdecken, so wie damals, als er noch neu hier war. Der Gedanke, dass er zu einer Besprechung ging, die indirekt mit seinem alten Freund Philippe zu tun hatte, beruhigte ihn etwas. Philippe war eigentlich seine einzige Verbindung zur Vergangenheit. Noah konnte sich schon gar nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal in Leeds bei seinen Eltern gewesen war oder mit seiner Mutter telefoniert hatte. Vielleicht vor drei Wochen? Und das auch nur, weil sie ihn einfach angerufen und er sich ausnahmsweise die Zeit für ein Gespräch mit ihr genommen hatte. Der Fußmarsch gab ihm Gelegenheit, darüber nachzudenken, was aus ihm geworden war und was er im Leben eigentlich erreichen wollte. Die Passanten waren für ihn wie ein Spiegel. Was wollten sie vom Leben? Wahrscheinlich wussten sie es gar nicht. Und er? Diese Frage besserte auch nicht gerade seine Stimmung. Er legte einen Zahn zu, um diesen Gedanken gleich wieder zu verdrängen. Besser, er hielt sich weiter für einen Erfolgsmenschen, der ständig unter Strom stand und eben manchmal zu laut sprach und lachte, andere dominierte und sich vielleicht etwas zu oft damit brüstete, viel Geld zu verdienen. Er hatte nicht diese ganzen Anstrengungen auf sich genommen, um sich jetzt in Frage zu stellen. Das war zu gefährlich. Gleich morgen früh würde er seine Mutter anrufen, doch jetzt wartete eine neue Chance, sich wieder mal zu beweisen.
    Als er beim Gore Hotel ankam, blickte er sich vorsichtig um, ja, er umrundete sogar mehrfach das Gebäude. Gegen 22.30 Uhr schließlich betrat er die Lobby und gönnte sich zur Entspannung einen Cocktail an der Bar. Das Hotel war im viktorianischen Stil eingerichtet, etwas plüschig, aber gemütlich: dicke Teppiche, Holzvertäfelung und an den Wänden Ahnenporträts und Bilder mit Jagdszenen. Ein gediegenes Ambiente im Stil der guten alten Zeit, nicht ohne Charme. Noah fragte sich, wie wohl die Zimmer aussahen.
    In seine Gedanken vertieft bemerkte er nicht die beiden Männer, die zur Tür hereinkamen. Einer suchte sich einen Platz am Eingang, der andere marschierte direkt auf Noah zu, der erschreckt zusammenfuhr.
    »Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen. John McMillan.«
    Noah musterte ihn kurz. Der Mann war ein Meter neunzig groß, hatte ein schmales Gesicht und einen durchtrainierten Körper. Sicherlich nicht jemand, der lange fackelte, wenn es drauf ankam.
    »Sie machen ja einen ziemlichen Wind darum, dass wir eine Million Dollar für einen Domainnamen bezahlt haben.«
    »Nicht für irgendeinen, sondern für den von Doc Fountain.«
    »Es ist doch nicht ungewöhnlich, dass ein Konzern wie unserer für seine Produkte den idealen Internetauftritt sucht?«
    »Ja, warum nicht? Aber zu so einem Preis?«
    »Was wollen Sie von uns?«
    »Eine Erklärung. Ich bin Finanzanalyst, wie Sie inzwischen wohl wissen, und mein Geschäft ist es, meine Kunden vor allen anderen mit Informationen zu versorgen. Mit solchen wie dieser. Nun könnte ich meine Info einfach weitergeben, aber es scheint mir interessanter, mehr darüber in Erfahrung zu bringen. Die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen.«
    »Und wenn ich Ihnen sagen würde, dass rein gar nichts dahintersteckt und diese Summe angesichts unseres Marketingbudgets nicht so enorm ist, wie Sie vermuten?«
    »Dann würde ich antworten, dass ich Ihnen nicht glaube. Warum hätten Sie sich sonst mit mir hier verabredet? Weit weg von der Innenstadt und nur wenige Stunden nachdem Sie erfahren haben, dass ich den Kaufpreis für die Domain www.docfountain.com kenne? Sie können mich nicht für dumm verkaufen. Ich lasse Ihnen etwas Zeit, überlegen Sie es sich gut.«
    Als Noah sich erhob, spürte er, dass er weiche Knie hatte. Doch er überspielte die

Weitere Kostenlose Bücher