Blinder Einsatz
Situation und steuerte, äußerlich gelassen, die Toiletten an. Er hoffte, dass sein Auftreten Eindruck auf den Mann gemacht hatte und ihn aus der Reserve locken würde. Noah warf einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken. Feine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Als die Tür hinter ihm langsam ins Schloss fiel, registrierte er im Spiegel eine Gestalt. Er besprenkelte sich das Gesicht mit Wasser und überlegte. Gehörte der Mann, den er gesehen hatte, etwa zu McMillan? Noah spähte durch das Schlüsselloch. Der Unbekannte machte hektisch irgendwelche Zeichen Richtung Bar. Noah wusste nicht, was er tun sollte. Schwebte er tatsächlich in Gefahr, oder bildete er sich das nur ein? Vielleicht war es besser, auf der Hut zu sein? So wie die Sache bisher gelaufen war, würde er vermutlich nicht viel mehr erfahren, sonst hätte das Gespräch eine andere Wendung genommen.
Noah beschloss, besser nicht in die Bar zurückzukehren. Er sah wieder durchs Schlüsselloch. Der Unbekannte war immer noch da. Das bestätigte ihn in seinem Entschluss, schleunigst zu verschwinden. Er stieg auf den Toilettenrand, öffnete das Fenster und versuchte, sich hochzuziehen. Der erste Versuch misslang, der zweite glückte. Sein Herz klopfte zum Zerspringen. Noah fand sich in einem kleinen Hinterhof wieder, aber die Tür zur Straße war verschlossen. Sie würden nicht lange brauchen, um zu begreifen, dass er geflohen war. Er schob eine Mülltonne an die Mauer, hoffte, dass der Plastikdeckel sein Gewicht tragen würde, und kletterte hinüber. Als sich ein Wagen näherte, bereitete sich Noah darauf vor, schleunigst das Weite zu suchen, doch das Auto fuhr an ihm vorbei. Während er Richtung Hyde Park lief, sah er sich ständig um, denn er meinte, Schritte hinter sich zu hören. Als Noah sich wieder umdrehte, war da auf einmal wieder dieser Mann, der sich ihm an die Fersen geheftet hatte. Noah rannte los, so schnell er konnte.
»Er flieht Richtung Hyde Park, ich versuche, ihn einzuholen.«
Sie hatten also draußen vor dem Hotel einen weiteren Mann postiert. Nun war Noah klar, dass McMillan nie die Absicht gehabt hatte, ihm irgendwelche Informationen zu geben.
23.50 Uhr
Noah hatte den Hyde Park fast erreicht. Er wusste nicht, wie er die Typen abhängen sollte. Wenn die beiden aus der Bar ihn mit dem Auto verfolgten, hatte er wenig Chancen, sie loszuwerden. Außerdem verständigten sie sich über ihre Handys. Er erinnerte sich, dass der Park zwischen Mitternacht und 7 Uhr morgens geschlossen war. Wenn es ihm gelang, sich vorher unbemerkt von seinen Verfolgern hineinzuschleichen … Noah bog in eine kleine Seitenstraße und umrundete einen Häuserblock. Er glaubte einen Vorsprung zu haben, doch plötzlich bemerkte er einen Wagen, der im Rückwärtsgang auf ihn zusteuerte. Das waren sicher die beiden Kerle aus dem Hotel. Sofort rannte er wieder direkt auf den Hyde Park zu, lief zum Eingang gegenüber der Royal Albert Hall und verschwand im Gebüsch, wo er nach einem Versteck suchte, von dem aus er den Weg beobachten konnte.
Einer seiner Verfolger spazierte keine zwei Meter entfernt an ihm vorbei, ohne ihn zu bemerken.
Noah hörte, wie er sagte:
»Hier ist es schon stockfinster. Da finden wir ihn nie. Aber der Park macht bald zu. Der Bursche entkommt uns schon nicht.«
Sie schienen die Suche aufzugeben. Für den Augenblick war er gerettet. Aber das war wohl nur ein Aufschub, denn so schnell würden sie sich nicht geschlagen geben. Er zitterte wie Espenlaub, und sein Herz raste wie verrückt.
Boston
Bei Kramer hatte John McMillans Anruf für Aufregung gesorgt.
»Sie haben ihn verloren. Anscheinend hat er sich im Hyde Park versteckt. Sie haben zwar noch gewartet, ihn aber nicht zu fassen gekriegt. Jetzt haben sie ihre Leute vor seiner Wohnung und in der Nähe seines Büros postiert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie ihn erwischen.«
»Ja, für uns ist es auch eine Frage der Zeit. Alle Projekte sind startklar. Wir können uns keine Panne mehr leisten. Haben Sie herausgefunden, wie er den Preis erfahren hat, den wir für die Domain bezahlt haben? Etwa über diesen Informatiker auf den Bahamas?«
»Vielleicht haben wir auch in der Firma eine undichte Stelle. Wir sind dabei, alle ein- und ausgehenden Anrufe zu überprüfen, aber bislang haben wir noch nichts gefunden. Vielleicht kennen sich ja dieser Noah und der andere Typ von früher. Wir checken gerade die verschiedenen sozialen Netzwerke, aber das dauert.«
»Es ist mir egal,
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