Blinder Hass
Joan. »Das ist hier in der Gegend nämlich immer noch ein Gesprächsthema.«
»Wenn Gleason und Schmidt nicht betroffen wären, vielleicht. Aber bei den beiden … Nach allem, was ich gehört habe, hatten sie hier in der Stadt zwar großen Einfluss und waren befreundet, aber ich glaube nicht, dass jemand Russell Gleason für die Artischockengeschichte verantwortlich machen würde.« Er sah in den Rückspiegel. »Können Sie sich das vorstellen?«, fragte er Laura.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass er was damit zu tun haben könnte, und wir Strykers haben über diese Artischockengeschichte genauso viel gewusst wie alle anderen auch. Nein, das glaube ich nicht.«
»Wir kommen immer wieder drauf zurück, dass wir es hier mit einem Verrückten zu tun haben, und in solchen Fällen geht es normalerweise nicht um einen lange zurückliegenden Betrug«, sagte Virgil. »Hier spielt etwas ganz anderes eine Rolle: Sex, Gewalt, irgendeine Art von Unrecht … eine wahnsinnige Verbitterung, die verheimlicht und unterdrückt wurde und nun offen zutage getreten ist. Ich hab gedacht, dass es vielleicht … eine homosexuelle Geschichte gewesen sein könnte, dass Judd damals irgendeinen Jungen zu so etwas gezwungen hat, einen Jungen, der nicht schwul war, aber getan hat, was man ihm sagte oder wozu er gezwungen wurde, und deshalb ist er durchgedreht. Aber meine … Quellen sagen, dass da nichts Schwules gelaufen ist.«
Laura betrachtete ihn im Rückspiegel, sagte aber nichts. Vor ihrem Haus stieg sie aus, schloss die Tür, ging auf die Fahrerseite des Trucks und machte eine drehende Handbewegung. Virgil ließ die Scheibe herunter. »Das, was Sie wissen wollen, ist nicht passiert«, sagte sie. »Absolut nicht.«
»Wovon redest du?«, fragte Joan ihre Mutter.
»Virgil weiß das schon », erwiderte Laura, wandte sich ab und ging zu ihrem Haus.
»Was zum Teufel sollte das denn?«, fragte Joan auf dem Weg zu ihr.
»Es ging darum, welche Strykers man als Verdächtige ausschließen kann.«
»Was?«
Virgil seufzte. »Sie wollte mir sagen, dass sie keine Affäre mit dem alten Judd hatte und dass sich dein Vater folglich nicht deswegen umgebracht hat. Also gibt es keinen Grund, weshalb irgendein Stryker, insbesondere Jim, Judd umgebracht haben sollte. Oder die anderen.«
Sie starrte ihn entgeistert an. »Mein Gott, Virgil, was machst du denn da?«
»Ich hab gehört, was die Leute so reden«, sagte Virgil. »Es gibt Gerüchte, dass deine Mutter und Judd zu der Zeit, als dein Vater gestorben ist, ein Verhältnis hatten. Sie hat in einem Versicherungsbüro gearbeitet, das Judd gehörte. Wenn sie sagt, dass sie kein Verhältnis mit ihm hatte, glaube ich ihr das. Ich glaube nicht, dass sie lügen würde, wo gerade all diese Morde passiert sind, zumindest nicht, wenn sie meint, dass es wichtig sein könnte.«
»Natürlich würde sie das nicht«, sagte Joan, mittlerweile ziemlich verärgert.
Virgil schüttelte den Kopf. »Man kann nie wissen, was Leute alles tun, wenn ihr Ruf auf dem Spiel steht. Aber sie hat nicht gelogen. Ich glaube ihr.«
»Kaum zu fassen, wie du so etwas überhaupt annehmen konntest«, sagte Joan.
»Hab ich auch nicht wirklich«, erklärte Virgil, wieder ohne große Zerknirschung. »Ich stelle nur Ermittlungen an.«
ZEHN
Joan bat ihn nicht herein, als sie vor ihrem Haus hielten. Ihr Verhalten war nicht wirklich frostig, beschloss er, als er wegfuhr, aber offenbar musste sie nachdenken, über ihn, über ihre Mutter, über Jim und über ihren Vater.
Als Nächstes rief Virgil Davenport in St. Paul an, erhielt die Handynummer von Sandy, der Rechercheassistentin, und erwischte sie gerade, als sie von einem Kurs an der Universität zurück zu ihrem Apartment ging.
»Ich brauche Unmengen von Kopien«, erklärte er ihr. »Ich brauche Einkommensteuererklärungen von einem ganzen Haufen Leute. Haben Sie einen Stift? Okay. William Judd senior, William Judd junior, eine ganze Familie namens Stryker« - er buchstabierte den Namen für sie - »dazu gehören Mark, Laura, James und Joan, außerdem Roman und Gloria Schmidt, ein Ehepaar, Russell und Anna Gleason, ebenfalls ein Ehepaar, Margaret und Jesse Laymon, Mutter und Tochter. Sie wohnen alle im Stark County, die meisten in Bluestem und die Laymons in einer Stadt namens Roche. R-O-C-H-E. Können Sie das für mich erledigen?«
»Ja. Soll ich sie auch bei den anderen Behörden abfragen, beim Amt für öffentliche Sicherheit, bei der
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