Blinder Hass
Strafvollzugsbehörde und so weiter?«
»Alles, was Sie über sie finden können. Packen Sie die Kopien in ein FedEx-Paket und sehen Sie zu, dass es bis morgen ins Holiday Inn in Bluestem geliefert wird.«
»Kein Problem«, sagte sie. »Wie weit ist Bluestem von hier?«
»Vier Stunden.«
»Ich krieg es schon irgendwie dorthin. Ich werd mit Lucas reden«, sagte sie.
Während er mit Sandy sprach, war Virgil auf den Parkplatz des Gerichtsgebäudes gefahren. Er klappte sein Telefon zu, ging hinein, suchte den Richter auf und erklärte ihm, was er brauchte. Dann fuhr er zum Haus von Schmidt.
Es wurde allmählich heiß. Die Blätter auf den Bäumen rollten sich zusammen, was sie in der leichten Brise silbrig aussehen ließ. Die Maiskolben auf den Feldern an der Straße platzten auf, und die Pflanzen raschelten im Wind.
Schmidts Leiche war abgeholt worden, doch leider erst nachdem sich ein Fotograf von der Sioux-Falls-Zeitung mit Sechzig-Zentimeter-Objektiv und Einbeinstativ in das Maisfeld auf der anderen Straßenseite geschlichen und mehrere Aufnahmen gemacht hatte, bevor man ihn bemerkte und ihm die Sicht mit einem Streifenwagen verstellte.
Big Curly hätte den Fotografen am liebsten mit vorgehaltener Waffe zur Rede gestellt, doch Stryker begnügte sich damit, mit dem zuständigen Redakteur ein Gespräch über guten Geschmack und die Gefühle von Angehörigen zu führen, gekoppelt mit der Drohung, dass man eine Anklage wegen Hausfriedensbruchs in Erwägung ziehen und jede weitere Zusammenarbeit verweigern würde, sollten die Fotos veröffentlicht werden.
»Mit einer Anklage wegen Hausfriedensbruchs kämen wir in Minnesota nicht durch«, erklärte er Virgil. »Hoffen wir mal, dass der Redakteur das nicht weiß.«
»Na ja, aber normalerweise drucken die Zeitungen ja auch keine Fotos von Leichen«, sagte Virgil. »Hoffe ich jedenfalls.«
Gloria Schmidts Leiche lag noch im Schlafzimmer, würde aber weggebracht werden, sobald die Leute vom Bestattungsinstitut zurück waren. Die Untersuchung des Hauses war noch im Gange. »Die werden wohl erst morgen früh damit fertig«, erklärte Stryker.
»Ich will so schnell wie möglich rein und mir ihre Papiere ansehen«, sagte Virgil.
»Wir müssen uns an die Vorschriften halten. Ich werde ja auch nicht reingehen«, sagte Stryker.
»Ich weiß … schon gut. Ich fahr zur Bank und seh mir ein paar Unterlagen an. Haben deine Leute irgendwo einen Schlüssel von einem Bankschließfach gefunden?«
»Weiß ich nicht. Ich kann aber fragen«, sagte Stryker. »Komm mit nach hinten.«
Virgil folgte Stryker um das Haus herum bis zur Hintertür, die in einen Hauswirtschaftsraum führte. »Liegt vermutlich in einer Kommode im Schlafzimmer oder in einer Schublade im Arbeitszimmer«, sagte Virgil.
Drinnen war es zwar kühler, aber es roch nach Blut und Leichengasen. Stryker blieb an der Tür zum Hauswirtschaftsraum stehen und rief: »Hey, Margo.«
»Ja?«, ertönte eine Frauenstimme von der Vorderseite des Hauses.
»Habt ihr irgendwas gefunden, das wie ein Schlüssel von einem Bankschließfach aussieht?«
»Ja. Wollen Sie ihn haben?«
»Ist das ein Problem?«, rief Stryker.
»Nein. Der liegt unter seinen Socken in der Kommode. Sieht nicht so aus, als wäre da jemand dran gewesen.«
»Okay.«
»Die Medien rufen ständig an«, sagte Stryker zu Virgil. »Ich hab für drei Uhr eine Pressekonferenz im Hauptgerichtssaal angesetzt. Da solltest du hinkommen.«
»Mach ich.«
Einen Augenblick später kam die rothaarige Spurensicherungstechnikerin mit einem Hemd und einer Hose aus Papier bekleidet aus dem Haus und reichte Stryker einen Umschlag aus blauer Pappe. Der gab ihn Virgil und sagte: »Informier mich, wenn da was ist.«
»Klar«, sagte Virgil.
Als er wieder in der Stadt war, ging er zum Gericht, holte die Verfügungen ab, hielt an einer von Bill Judds Subway-Filialen und kaufte sich zum Mittagessen ein Sandwich, dann fuhr er weiter zur Bank. Der Filialleiter öffnete als Erstes das Fach von Schmidt, in dem Virgil Papiere fand - Versicherungspolicen, Urkunden, Testamente, alte Fotografien -, aber kein Geld. Er fand allerdings einen Ring aus massivem Gold mit einem kleinen Diamanten, in den innen der Name Vera Schmidt eingraviert war. Die Mutter von Roman Schmidt?
Zwei Dinge waren merkwürdig.
In einem großen Briefumschlag fand er ein Foto von einer blonden Frau, die mit dem Gesicht nach oben nackt auf etwas lag, das wie ein Obduktionstisch aussah. Eine Hälfte ihres
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