Blinder Instinkt - Psychothriller
wird das hier der Raum der Tausend Beinchen!«
Sie hörte ihn laut stampfend davongehen. Scheinbar davongehen, denn Sarahs Gehör war fein genug, um zu erkennen, dass er sich nicht wirklich entfernte, sondern mit Stampfen auf der Stelle nur so tat. Darauf fiel sie nicht herein. Ihre Angst wurde aber trotzdem schlimmer. Wenn er wirklich tat, was er soeben angekündigt hatte, wenn er die Spinnen holte und sie hier laufen ließ, dann würde sie sich verraten. Sie könnte hier nicht zwischen den Spinnen sitzen bleiben!
»Komm endlich raus!«, brüllte er plötzlich, und Sarah zuckte wimmernd zusammen.
Ein paar Stühle flogen polternd um, Tische wurden zur Seite geschoben.
Sie konnte ihren rebellierenden Bauch nicht mehr länger zurückhalten. Er presste das Essen die Speiseröhre hoch, und sie musste sich übergeben. Mit einem lauten Würgen spritzte das Erbrochene vor ihr auf den Fußboden. Sarah keuchte und würgte, war einfach nicht mehr in der Lage, sich still zu verhalten. Er aber polterte immer noch mit den Stühlen und Tischen. Vielleicht hatte er sie deswegen ja gar nicht gehört.
Doch plötzlich verstummte das Poltern, und seine Schritte näherten sich.
9
Paul Adamek stand vor dem Ladengeschäft und sah zu, wie Franziska in den Rettungswagen geschoben wurde. Der Wagen stand mit angeschaltetem Blaulicht auf dem Bürgersteig, die Heckklappen geöffnet. Zwei weitere Polizeiwagen sperrten quergestellt mit ebenfalls eingeschaltetem Blaulicht die Straße ab. Uniformierte Beamte hatten Absperrbänder gezogen und hielten die Schaulustigen zurück.
Paul fühlte sich seltsam abwesend. Im Laden hatte er dabei zugesehen, wie sich der Notarzt und die Rettungssanitäter um Franziska bemühten. Sie war zwischenzeitlich kollabiert, ihr Herz stehen geblieben. Sie hatten ihr die Bluse aufgerissen, den BH zerschnitten, die Strompads des Defibrillators auf ihre Haut gedrückt, und ihr Körper hatte wild gezuckt,
dreimal hintereinander. Dann war sie zurückgekommen. Paul hatte die Hände zu Fäusten geballt, sich innerlich windend in seiner Hilflosigkeit. Seine Chefin war immer eine starke Frau gewesen, er hatte sie nie schwach und verletzlich erlebt - aber auch noch nie in einer lebensbedrohlichen Situation. Der Notarzt hatte ihm nicht viel sagen können. Es war kritisch, nach wie vor, möglicherweise würde sie auf dem Weg ins Krankenhaus sterben. Vielleicht aber auch nicht.
Wut keimte in Paul auf.
Sie half ihm dabei, seine Gedanken unter Kontrolle zu bringen.
Dieser Eduard Sauter würde ihm nicht entkommen. Für das, was er Franziska angetan hatte, würde er bezahlen. So oder so!
Entschlossen wandte Paul sich von dem Laden ab und überquerte die Straße. Auf der anderen Seite, auf dem Rücksitz eines Streifenwagens sitzend, wartete nach wie vor Frau Zerhusen auf ihn. Sie sah ihn kommen und krabbelte aus dem Fond.
»Sie ist doch nicht verstorben?«, fragte sie.
Paul erkannte, dass die alte Dame geweint hatte. »Nein, sie lebt, aber es sieht nicht gut aus. Wir können nur hoffen.«
»Und beten«, sagte Frau Zerhusen mit Inbrunst in der Stimme.
Paul sah sie nur an. Vom Beten hatte er noch nie viel gehalten. »Erzählen Sie mir bitte alles, was Sie über Eduard Sauter wissen, Frau Zerhusen.«
Sie blickte erschrocken zu ihm auf. »Aber zuerst müssen wir doch zu seinen Eltern! Da stimmt was nicht!«
»Ich habe meine Kollegen bereits dorthin geschickt. Sie melden sich, sobald sie etwas wissen.«
»Ach so. Ja, das ist gut. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl dabei. Hoffentlich ist ihnen nichts passiert.«
»In welcher Beziehung stehen Sie zu den Sauters, Frau Zerhusen?«, drängte Paul die Frau weiter. Auch sie schien unter Schock zu stehen.
Sie sah ihn an, ihre Lider flackerten, dann konzentrierte sie sich ganz bewusst. »Ich … Ich bin Fußpflegerin, müssen Sie wissen, und ich behandle Herrn und Frau Sauter, also die Senioren, schon seit vielen Jahren. Ich kenne sie ganz gut, auch den Sohn, Eduard. Obwohl … Den kennt eigentlich niemand so richtig gut, der war schon immer sehr verschlossen, hatte nie Freunde … Und eine Freundin auch nicht. Genau wie der Vater hat er immer nur für den Laden gelebt, für die Tiere.«
»Er hat also diesen Laden von seinen Eltern übernommen?«
»Ja, schon vor mehr als zehn Jahren, seitdem ist aber alles ein bisschen heruntergekommen. Ich hab zuhause nie darüber gesprochen. Ich mochte das den Eltern nicht antun, verstehen Sie?«
»Lebt Eduard Sauter nur hier über dem
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