Blinder Instinkt - Psychothriller
anders. Die Luft war zwar ein wenig abgestanden, aber neutral - abgesehen vom künstlichen Duft eines Zerstäubers, der hinter ihnen gerade einen weiteren Stoß unechten Flieders in die Umgebung sprühte.
Kühl sah von Franziska zu Paul und zurück. »Und, was wollen Sie von mir?« Es klang weder freundlich noch unfreundlich, sondern einfach nur schicksalsergeben.
»Können wir uns setzen?«, fragte Franziska.
Kühl seufzte, ging zu der abgewetzten Couch hinüber und ließ sich hineinfallen. »Also gut, wenn es denn so lange dauern soll.«
Franziska setzte sich auf einen Stuhl, Paul auf die Lehne eines abgewetzten Sessels. Er wollte nicht auf Augenhöhe mit diesem Typen sitzen.
»Das hängt ganz von Ihnen ab«, sagte Franziska.
Kühl nickte. »Wissen Sie was? Wir brauchen gar nicht lange um den heißen Brei herumzureden. Sie sind hier, weil irgendwo ein Kind verschwunden oder vergewaltigt worden ist, und der PC hat in diesem Zusammenhang meinen Namen ausgespuckt. Jetzt muss ich für irgendeinen Tag ein Alibi vorlegen, sonst gelte ich als Verdächtiger. Ist doch so, oder?«
Paul stand wieder auf. »Wissen Sie, was mich ankotzt, Herr Kühl? Dass Typen wie Sie, die sich an kleinen Kindern vergehen, überhaupt noch mal die Möglichkeit bekommen, sich vor Typen wie uns zu rechtfertigen, und nicht den Rest ihres Lebens im Knast verbringen. Damit hätten Sie nämlich das beste Alibi der Welt. Haben Sie es schon mal von der Seite gesehen?«
Kühl wollte dagegen aufbegehren, wollte vielleicht etwas von Vergangenheit und Krankheit und schlimmer Kindheit erzählen, doch Franziska brachte ihn mit einer schnellen Handbewegung zum Schweigen.
»Sie haben recht«, sagte sie. »Wir brauchen gar nicht lange um den heißen Brei herumzureden. Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag?«
»Hä?«
»Ist das so schwer? Die Nacht von Samstag auf Sonntag. Und zwar die ganze.«
Kühls Augen huschten zwischen ihnen hin und her.
»Na wo schon? Im Bett natürlich.«
»Allein?«, fragte Adamek.
»Ja, sicher - und das ist ja mal wieder typisch! An fünf Tagen in der Woche schiebe ich Nachtschichten, da kann ich beweisen, wo ich war, aber nicht am Wochenende. Und genau das wollen Sie wissen.«
»Nach unseren Informationen arbeiten Sie für den Fahrdienst Meyerboldt, der auch Behindertentransporte durchführt. Ich wusste nicht, dass da nachts gefahren wird.«
»Meyerboldt hat auch noch eine Taxiflotte laufen. Und da ich mit den paar Kröten aus dem Tagesgeschäft nicht auskomme, fahre ich in der Woche nachts Taxi. Von abends acht bis morgens sechs.«
»Aber nicht am Wochenende«, wiederholte Adamek.
»Nein, da nicht.«
»Ich nehme an, Ihr Arbeitgeber kann das bestätigen.«
Kühl verzog das Gesicht, als hätte er ein Magengeschwür. »Kann er, ja, aber Meyerboldt weiß nichts von meiner Vorgeschichte, und ich wäre echt dankbar, wenn es dabei bliebe. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, heutzutage einen Job zu bekommen. Vor allem mit einem Loch von ein paar Jahren im Lebenslauf. Da bleibt fast nur noch Taxi fahren … Und das wird beschissen bezahlt.«
»Hätten Sie sich das mal überlegt, bevor Sie der Zehnjährigen an die Wäsche gegangen sind«, sagte Adamek in frostigem Ton. Dafür warf Kühl ihm wieder diesen eigenartigen Blick zu, den Franziska sehr wohl registrierte.
»Bin ich jetzt aus dem Schneider, oder was?«, wollte er wissen.
»Tja«, sagte Franziska, »Sie haben kein Alibi. Das ist schlecht. Unter den gegebenen Umständen wäre es klug von Ihnen, wenn wir uns in der Wohnung umschauen dürften.«
Kühl breitete in einer resignierenden Geste die Arme aus. »Nur zu. Aber verlaufen Sie sich nicht, es sind immerhin achtundfünfzig Quadratmeter.
Es waren achtundfünfzig erstaunlich aufgeräumte Quadratmeter, die überhaupt keinen Anlass zu derVermutung gaben,
er könnte hier ein kleines Mädchen versteckt halten - oder überhaupt eine weibliche Person zu Besuch gehabt haben. In der Schublade des Nachtschranks fand Franziska nicht mal die üblichen Pornohefte, und auch in der Nähe des Fernsehers befanden sich keine einschlägigen Filme. Das machte sie ein bisschen argwöhnisch. Die Wohnung wirkte zu perfekt.
»Wir benötigen eine Speichelprobe für einen Genabgleich von Ihnen«, sagte Franziska schließlich.
Kühl wusste natürlich, dass so etwas nur auf freiwilliger Basis möglich war, und wirkte nicht beeindruckt. »Wenn ich mich dadurch entlasten kann, gern.«
»Ich schicke ein Team
Weitere Kostenlose Bücher