Blinder Instinkt - Psychothriller
vorbei«, sagte Franziska beim Hinausgehen.
»Und, werden Sie meinen Chef informieren?«
»Wenn Sie freiwillig damit aufhören, kleine Mädchen zu fahren, sehen wir davon ab«, sagte Franziska.
»Hey, das kann ich mir nicht aussuchen! Ich muss doch tun, was der Alte mir sagt!«, beschwerte sich Kühl.
Adamek trat ganz nah an ihn heran, brachte sein Gesicht provozierend dicht an Kühls.
»Weißt du was? Das ist mir scheißegal. Fahr meinetwegen jede Nacht Taxi. Aber wenn ich mitbekomme, dass du weiterhin kleine Mädchen fährst, dann mache ich dir das Leben zur Hölle. Haben wir uns verstanden?«
Ein paar heftige, funkensprühende Blicke wechselten zwischen den beiden Männern, dann gab Kühl nach und senkte den Blick.
»Haben wir«, sagte er leise und verschwand in seiner Wohnung.
»Ich kann diese Schweine nicht leiden«, sagte Adamek, als sie in der Fahrstuhlkabine standen.
Franziska drückte den Knopf fürs Erdgeschoss. »Niemand kann die leiden, aber trotzdem leben sie in unserer Gesellschaft.«
»Und das ist einfach nicht richtig!«
»Ja, aber das Problem werden wir beide nicht lösen. Was hältst du denn von ihm?«
»Für mich kommt er auf jeden Fall in Frage. Wenn so einer derart nah an Kinder herankommt, kann der doch gar nicht anders. Stell dir nur mal die Situation vor! Ein kleines hübsches Mädchen sitzt mit dem zusammen in einem Wagen und kann nicht mal sehen, wie er es angafft und ihm der Sabber aus dem Mund läuft.«
Adamek wurde immer lauter, redete sich in Rage. Der Fahrstuhl gab ein leises »Plink!« von sich, als sie das Erdgeschoss erreichten. Vor der Tür des Wohnsilos atmeten sie beide tief ein. Franziska empfand die Stadtluft zum ersten Mal als wohltuend erfrischend.
»Observierung. So lange, bis das Ergebnis des Genabgleichs vorliegt. Rund um die Uhr«, sagte Franziska auf dem Weg zum Wagen.
»Kriegst du das durch?«
»Wenn ein kleines Mädchen verschwindet, bekomme ich alles durch, wart’s nur ab.«
Adamek klatschte in die Hände. »Ich bin dabei. Ich hoffe nur, wir können der Kleinen damit noch helfen.«
»Wenn nicht ihr, dann zumindest vielen anderen«, sagte Franziska und merkte im selben Moment, wie zynisch das klang.
Ihre eigenen Worte hallten bitter in ihr nach, aber sie wusste leider, wie die Welt aussah, und konnte Wahrheit von Wunschdenken unterscheiden. Sarah war jetzt seit drei Tagen
verschwunden. Es gab bisher keine konkrete Spur. Alles schien möglich, vielleicht war sie sogar im Auftrag von Kinderhändlern entführt worden. In dem Fall würden sie die Kleine nie wiedersehen. Alles in allem waren die Aussichten trübe und frustrierend, aber das waren sie zu Beginn einer solchen Ermittlung ja meistens.
Trotzdem würde sie alles geben, um die Wahrheit herauszufinden. Und irgendwie hatte sie das Gefühl, es nicht nur Sarah, sondern auch dem Boxer Max Ungemach schuldig zu sein, obwohl das doch jeder vernünftigen Grundlage entbehrte.
Vernunft spielte dabei auch keine Rolle, wie sich Franziska eingestand. Er hatte ihr Interesse geweckt. Darauf war sie nicht vorbereitet gewesen, und es wirkte immer noch nach.
Das war nicht professionell, und doch hoffte sie, Max Ungemach bald wiedersehen zu können.
19
Die Hand brannte auf seiner Schulter, während er den dunklen Bürgersteig hinunterging. Brannte wie Feuer, durchdrang seine Haut mühelos und legte sich schmerzend auf seine Knochen. Machte aber auch dort nicht halt, sondern fand einen Weg bis tief in sein Innerstes, wo sie ein dumpfes Pochen auslöste, ähnlich einem unterschwelligem Kopfschmerz, der sich hinter den Augen einnistete und einen in den Wahnsinn treiben konnte.
Sie war da, sie würde immer da sein, er führte ein Leben mit einer imaginären Hand auf seiner Schulter, und zehn lange Jahre hatten ihn sich daran gewöhnen lassen. Doch
heute war es anders! Heute war es eben nicht dieses angenehm warme Gefühl, unter dem er sich früher stets als ihr Held und Beschützer, als ihr starker großer Bruder gefühlt hatte. Heute brannte es wie Feuer, und es musste doch einen Grund dafür geben, warum sich in den letzten Tagen so vieles geändert hatte!
Lag es nur an dem Gespräch mit der Polizistin und der Tatsache, dass ein weiteres blindes Mädchen verschwunden war und dieses auch noch große Ähnlichkeit mit seiner Schwester hatte?
Max war verwirrt wie schon lange nicht mehr. Auch der einstündige Lauf durch den Stadtwald hatte nicht die ersehnte Ruhe gebracht, sondern nur noch mehr Verwirrung. Danach
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