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Blinder Instinkt - Psychothriller

Titel: Blinder Instinkt - Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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nicht mehr.
    »Hilf mir mal mit dem Rollstuhl, Junge. Papa möchte sich den Laden ansehen.«
    Er seufzte und ergab sich in sein Schicksal. Es hatte keinen Sinn, mit seiner Mutter zu diskutieren. Also öffnete er den Kofferraum des Mercedes und hievte den zusammengeklappten Rollstuhl heraus. Das Ding war ziemlich schwer, außerdem fasste er in Essensreste, die an einer Querverstrebung klebten und weiß Gott wie alt waren. Wahrscheinlich hatte nie jemand diesen Rollstuhl gereinigt. Das Sitzkissen aus Schaumstoff roch nach Urin. Sein Vater trug eine Windel, aber so richtig dicht schien die nicht zu halten.
    Er musste sich zusammenreißen, um nicht angewidert das Gesicht zu verziehen, während er den Rollstuhl auf dem
Bürgersteig auseinanderklappte. Derweil steckte seine Mutter auf der Beifahrerseite zur Hälfte im Wagen und löste den Gurt. Ihr dicker, schwabbeliger Hintern ragte weit heraus. Als sie wieder hervorkam, war ihr Kopf hochrot.
    »Steh nicht dumm herum, schieb den Stuhl bis ganz an die Tür«, keifte sie ihn an.
    Es war eine aufwändige Prozedur, seinen Vater aus dem Wagen in den Rollstuhl zu bugsieren. Der alte Mann war groß und schwer, und er half kaum mit. Zwar konnte er noch für einen kurzen Moment auf seinen wackeligen Beinen stehen, doch mussten diese immer erst in die richtige Position gebracht werden. Zum Glück verlangte Mutter nicht von ihm, Vater aus dem Wagen zu ziehen. Das machte sie immer selbst.
    Als der alte Mann endlich im Rollstuhl saß, warf er einen verstohlenen Blick zu ihm hinüber. Das Gesicht seines Vaters sah aus wie immer: Die Augen in weite Ferne entrückt, die Züge entglitten, apathisch und abwesend. Wie sich aber gezeigt hatte, konnte man der Krankheit nicht trauen. Einerseits freute es ihn natürlich, dass seine Worte neulich beim Mittagessen zu seinem Vater durchgedrungen waren, andererseits war es aber nicht gut, dass der Alte hin und wieder doch noch zu einem klaren Gedanken fähig war.
    Oder …?
    Stimmte das überhaupt?
    Er betrachtete seine Mutter, wie sie hektisch herumwuselte, Vater festschnallte, seine Kleidung richtete, den obligatorischen Hut aufsetzte und den Wagen verschloss. Sie war ganz in ihrem Element, sobald sie die Herrschaft über jemanden hatte, sobald sie allein bestimmte, was getan und gesagt wurde. Konnte es sein, dass sie Vater nur als Ausrede
benutzte? Vielleicht hatte sie ihn doch belauscht! Zuzutrauen wäre es ihr.
    Eine Welle des Hasses wogte durch seinen Kopf, und er wünschte sich, ein Lkw möge vorbeikommen und sie auf der Straße zermalmen. Er sah es geradezu vor sich, wie sie unachtsam von der Fahrertür wegtrat, nach dem Schlüssel kramte und den Lkw nicht bemerkte. Der riesige, massive Kühlergrill riss sie blitzschnell von den Beinen, ihr Körper geriet unter den Lkw und wurde von den großen Reifen nach hinten durchgereicht. Jeder einzelne zermalmte sie ein bisschen mehr, so dass hinten nur noch ein blutiger Sack voll Knochen herauskam.
    »Junge, steh nicht dumm herum, schließ den Laden auf!«, keifte sie nur allzu lebendig direkt neben ihm.
    Tagträume wurden nur sehr selten wahr, und die, von denen man es sich am allermeisten wünschte, erst recht nicht.
    Er eilte voraus und schloss die Ladentür auf.

36
    Max wartete seit fünfzehn Minuten unter Bewachung eines Beamten in Kühls Küche. Sein Kopf war leer, sein Körper ausgelaugt, er hätte sich gern hingelegt und geschlafen. Er fühlte sich wie nach einem harten Kampf, mit dem einzigen Unterschied, dass er diesen hier verloren hatte. Max wusste nicht, woher die Polizisten so schnell gekommen waren, und es war ihm auch gleichgültig, aber sie hatten Detlef Kühl gerettet. Sonst hätte er ihn getötet! Wären die Polizisten nur zwei Minuten später gekommen, wäre er zum Mörder geworden - und dieser Gedanke erschreckte ihn nicht einmal.
Stattdessen setzte es ihm zu, dass er es versaut hatte. Eine zweite Chance würde er nicht bekommen.
    Die Tür wurde aufgestoßen. Franziska Gottlob betrat die Küche und schickte den anderen Beamten hinaus. Sie kam um den Tisch herum und setzte sich ihm gegenüber. Sie sah ihn lange an, mit diesem intensiven Blick ihrer grünen Augen, und diesmal fand Max nicht die Kraft, ihrem Blick standzuhalten.
    »Warum haben Sie das getan?«, fragte sie schließlich.
    Er meinte Enttäuschung in ihrer Stimme zu hören, und plötzlich tat es ihm leid, was er getan hatte. Nicht wegen Kühl, sondern wegen ihr. Es tat ihm leid, sie enttäuscht zu haben.
    »Warum

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