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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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hab immer gedacht, mit mir stimmt was nicht, wenn du dich über mich lustig gemacht hast, weil ich BHs mit Einlagen bei Mark Eden und so Sachen bestellt habe. Und weißt du noch, was Mutter gesagt hat? Sie hat mir ein Foto von einer haarigen Männerhand gegeben und gesagt: >Sowas macht einer Frau große Brüste.<«
    »Du bist betrunken«, sagte ich.
    »Wir waren Teenager, und du hast dich über mich lustig gemacht!«
    »Ich habe mich nie über dich lustig gemacht.«
    »Du hast dafür gesorgt, dass ich mich dumm und hässlich fühle.
    Und du hattest blondes Haar und einen Busen, und alle Jungen haben über dich geredet. Vor allem weil du auch noch schlau warst. Oh ja, du hast immer gedacht, dass du so verdammt schlau bist, nur weil ich nichts anderes als Englisch studiert habe.«
    »Hör auf, Dorothy.«
    »Ich hasse dich.«
    »Nein, das tust du nicht, Dorothy.«
    »Aber mich führst du nicht hinters Licht. Mich nicht.«
    Sie schüttelte den Kopf und drohte mir mit dem Finger.
    »Oh nein, mich kannst du nicht hinters Licht führen. Ich habe schon immer die Wahrheit geahnt, was dich anbelangt.«
    Ich parkte vor dem Berkeley Hotel, und sie merkte es nicht. Sie tobte, und Tränen liefen ihr übers Gesicht.
    »Du bist eine heimliche Diesel-Lesbe«, sagte sie hasserfüllt.
    »Und meine Tochter hast du auch zu einer gemacht! Und jetzt wird sie fast umgebracht und hält mich für den letzten Dreck.«
    »Warum gehst du nicht ins Hotel und schläfst dich aus«, sagte ich zu ihr.
    Sie wischte sich über die Augen und blickte aus dem Fenster, überrascht, ihr Hotel zu sehen, als wäre es ein lautlos gelandetes Raumschiff.
    »Ich werfe dich nicht auf die Straße, Dorothy. Aber ich glaube, es ist nicht gut, wenn wir jetzt zusammen sind.«
    Sie schniefte, ihre Wut verglühte wie ein Feuerwerk in der Nacht.
    »Ich bring dich in dein Zimmer«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf, ihre Hände lagen reglos in ihrem Schoß, Tränen liefen ihr über das unglückliche Gesicht.
    »Sie wollte mich nicht sehen«, sagte sie so leise wie ein Atemhauch. »Als ich im Krankenhaus aus dem Aufzug stieg, blickte sie drein, als hätte ihr gerade jemand ins Essen gespuckt.«
    Eine Gruppe Leute verließ die Tobacco Company. Ich erkannte die Männer wieder, die mit Dorothy am Tisch gesessen hatten.
    Sie wankten etwas und lachten zu laut.
    »Sie wollte immer nur so sein wie du, Kay. Kannst du dir vorstellen, wie ich mich fühle?« Sie schluchzte. »Ich bin auch jemand. Warum will sie nicht so sein wie ich?«
    Sie rückte plötzlich näher und legte die Arme um mich. Sie weinte an meinem Hals, schluchzte, zitterte. Ich hätte sie gern geliebt. Aber ich tat es nicht. Hatte es nie getan.
    »Ich will, dass sie mich auch liebt!«, rief sie, davongetragen von ihren Gefühlen, vom Alkohol und ihrer Sucht nach Drama. »Ich will, dass sie mich auch bewundert! Ich will, dass sie mit mir angibt, wie sie es mit dir tut! Ich will, dass sie mich für brillant und stark hält, dass sie glaubt, alle drehen sich um und sehen mich an, wenn ich einen Raum betrete. Ich will, dass sie über mich all die Dinge denkt und sagt, die sie über dich denkt und sagt. Ich will, dass sie mich um Rat fragt und dass sie so sein will wie ich, wenn sie erwachsen ist.«
    Ich legte den Gang ein und fuhr vor den Eingang des Hotels.
    »Dorothy«, sagte ich, »du bist die egoistischste Person, der ich je begegnet bin.«

30
    Es war fast neun Uhr, als ich wieder zu Hause war, und ich machte mir Vorwürfe, dass ich Dorothy im Hotel abgesetzt hatte, statt sie mit zu mir zu nehmen. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie sofort wieder über die Straße in die Bar gegangen wäre. Vielleicht waren noch ein paar einsame Männer dort, die sie unterhalten konnte.
    Ich hörte meinen Anrufbeantworter ab und ärgerte mich, dass sieben Mal umstandslos aufgelegt worden war. Journalisten hinterließen nicht gern Nachrichten, auch nicht in meinem Büro, weil ich dann die Wahl hatte, zurückzurufen oder auch nicht.
    Ich hörte, wie auf meiner Einfahrt eine Tür zugeschlagen wurde, und fragte mich, ob es Dorothy war, aber als ich nachsah, fuhr ein gelbes Taxi weg und Lucy klingelte.
    Sie stellte einen kleinen Koffer und eine Tasche in der Diele ab und knallte die Tür zu. Sie machte keinerlei Anstalten, mich zu umarmen. Ihre linke Backe war ein einziger dunkelblauer Fleck, mehrere kleinere Flecken verfärbten sich am Rand bereits gelb.
    Ich hatte genug Verletzungen gesehen, um zu wissen, dass sie geschlagen

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