Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
worden war.
    »Ich hasse sie«, legte sie los und starrte mich finster an, als wäre ich daran schuld. »Wer hat ihr gesagt, dass sie kommen soll? Du?«
    »Du weißt, dass ich das nie tun würde«, sagte ich. »Komm rein.
    Lass uns reden. Wir müssen über so vieles sprechen. Mein Gott, ich habe schon gedacht, dass ich dich nie wiedersehen würde.«
    Ich setzte sie vor das Feuer und warf ein weiteres Scheit hinein.
    Lucy sah grauenhaft aus. Unter ihren Augen waren dunkle Ringe, Jeans und Pullover hingen an ihr herunter, das rotbraune Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie stützte einen Fuß auf den Beistelltisch und nahm das Holster mit Waffe vom Knöchel.
    »Gibt es in diesem Haus was zu trinken?«, fragte sie. »Bour-bon oder so was Ähnliches? Im Taxi war es arschkalt, und das Fenster nicht zu. Ich friere. Schau dir meine Hände an.«
    Sie hielt sie mir hin. Die Nägel waren blau. Ich nahm sie in meine Hände und hielt sie fest. Dann rutschte ich auf der Couch näher zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie fühlte sich mager an.
    »Was ist mit deinen Muskeln passiert?«, versuchte ich sie aufzumuntern. »Ich hab nicht viel gegessen« Sie starrte ins Feuer. »Gibt es in Miami nichts zu essen?« Sie lächelte nicht.
    »Warum musste Mutter kommen? Warum kann sie mich nicht in Ruhe lassen? Mein ganzes Leben lang hat sie nichts anderes getan, als mir ihre Männer, Männer, Männer vorzuführen«, sagte sie. »Herumzustolzieren mit diesen Schwänzen, während niemand für mich da war. Aber auch für die Männer war niemand da, nur wussten sie es nicht.«
    »Ich war immer für dich da.«
    Sie strich sich das Haar aus den Augen und schien mich nicht zu hören.
    »Weißt du, was sie im Krankenhaus getan hat?«
    »Woher wusste sie, wo sie dich finden würde?« Ich musste zuerst eine Antwort auf diese Frage haben, und Lucy wusste, warum ich sie stellte.
    »Weil sie meine biologische Mutter ist«, sagte Lucy in sarkastischem Singsang. »Ich musste sie angeben, ob ich wollte oder nicht, und natürlich weiß sie, wer Jo ist. Mom spürt also Jos Eltern hier in Richmond auf und kriegt alles raus, weil sie die Leute manipulieren kann, und die halten sie dann für eine wunderbare Frau. Die Sanders sagen ihr, in welchem Zimmer Jo liegt, und Mutter kreuzt heute Morgen im Krankenhaus auf. Ich wusste nicht mal, dass sie hier ist, bis sie wie die Primadonna, die sie ist, ins Wartezimmer schneit.«
    Sie ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder, als wären ihre Finger steif.
    »Und was macht sie?«, fuhr Lucy fort. »Sie spielt die Mitfühlende mit den Sanders. Bringt ihnen Kaffee, Sandwiches, bedenkt sie mit ihren philosophischen Sprüchen. Und sie reden und reden, und mich ignorieren sie, als gäbe es mich nicht, und dann kommt Mom zu mir, tätschelt meine Hand und sagt: ]o will heute niemanden sehen.
    Ich frage sie, wie sie dazu kommt, mir das zu sagen. Darauf antwortet sie, dass die Sanders es mir nicht sagen wollten, um meine Gefühle nicht zu verletzen. Was bleibt mir anderes übrig, als zu verschwinden. Mom ist womöglich immer noch dort.«
    »Ist sie nicht«, sagte ich.
    Lucy stand auf und stieß mit dem Schürhaken ins Feuer. Funken sprühten, als wollten sie gegen ihre Behandlung protestieren.
    »Sie ist zu weit gegangen. Diesmal hat sie es geschafft«, sagte meine Nichte.
    »Wir sollten nicht über sie reden. Ich möchte über dich sprechen. Erzähl mir, was in Miami passiert ist.«
    Sie setzte sich auf den Boden, lehnte sich an die Couch und starrte ins Feuer. Ich stand auf, ging zur Bar und goss ihr einen Bourbon ein.
    »Tante Kay, ich muss sie sehen.«
    Ich gab Lucy den Drink und setzte mich wieder. Ich massierte ihre Schultern, und sie entspannte sich, ihre Stimme wurde schläfrig.
    »Sie liegt in dem Zimmer und weiß nicht, dass ich auf sie warte.
    Vielleicht glaubt sie, dass sie mir gleichgültig ist.«
    »Warum um alles in der Welt sollte sie das glauben, Lucy?«
    Sie schwieg, schien in Rauch und Flammen zu versinken. Sie nippte an ihrem Drink.
    »Als wir in meinem kleinen heißen Benz hingefahren sind«, sagte sie mit tonloser Stimme, »hatte Jo ein ungutes Gefühl, und das hat sie mir auch gesagt. Ich meinte, dass es normal wäre, vor einem Einsatz ein ungutes Gefühl zu haben. Ich habe mich sogar über sie lustig gemacht.«
    Sie hielt inne und starrte in die Flammen, als würde sie etwas anderes sehen.
    »Wir stehen also vor der Tür der Wohnung, die diese Arschlöcher als Treffpunkt benutzen«, nahm sie den Faden

Weitere Kostenlose Bücher