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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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gelegentlich anzurufen. Lucy wird in eine Schießerei verwickelt, aber dich darf man nicht stören -«
    »Dorothy ist in Richmond?«, fragte ich ungläubig.
    »Was denkst du denn? Sie ist schließlich ihre Mutter.«
    »Dann ist also auch Lucy in Richmond?« Der Gedanke schmerzte mich wie ein Schnitt mit dem Skalpell.
    »Deswegen ist ja auch ihre Mutter dort. Natürlich ist Lucy in Richmond.«
    Ich wusste nicht, warum mich das überraschte. Dorothy war eine narzistische Person, die stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen musste. Wann immer sich ein Drama ereignete, musste sie dabei sein. Und wenn sie deswegen die Mutterrolle für eine Tochter übernehmen musste, an der ihr nichts lag, dann tat sie das.
    »Sie ist gestern geflogen, wollte dich aber nicht fragen, ob sie bei dir wohnen kann, weil dir deine Familie ja nichts zu bedeuten scheint«, sagte meine Mutter.
    »Dorothy wollte noch nie bei mir wohnen.«
    Meine Schwester liebte Hotelbars. In meinem Haus lernte sie keine Männer kennen, zumindest keine, die mir etwas bedeuteten.
    »Wo wohnt sie?«, fragte ich. »Und wohnt Lucy bei ihr?« »Niemand will es mir sagen, diese ganze Geheimnistuerei, und ich, ihre Großmutter -« Ich hatte genug.
    »Mutter, ich muss Schluss machen«, sagte ich.
    Ich beendete abrupt das Gespräch und rief den Chefarzt der orthopädischen Abteilung, Dr. Graham Worth, zu Hause an.
    »Graham, Sie müssen mir helfen«, sagte ich.
    »Erzählen Sie mir bloß nicht, dass in meiner Abteilung ein Patient gestorben ist«, sagte er sarkastisch.
    »Graham, Sie wissen, dass ich Sie nicht um Hilfe bitten würde, wenn es nicht sehr wichtig wäre.«
    Er schwieg.
    »Bei Ihnen liegt eine Patientin unter einem Pseudonym. Sie arbeitet für das ATF und wurde in Miami angeschossen. Sie wissen, wen ich meine.« Er sagte nichts.
    »Meine Nichte, Lucy, war in die gleiche Schießerei verwik-kelt«, fuhr ich fort.
    »Ich weiß von der Schießerei«, sagte er. »Darüber wurde in den Nachrichten berichtet.«
    »Ich war es, die Jo Sanders Supervisor gebeten hat, sie ins MCV zu verlegen. Ich habe versprochen, mich persönlich um sie zu kümmern, Graham.«
    »Hören Sie, Kay«, sagte er. »Ich bin angewiesen worden, niemanden zu ihr zu lassen außer engen Familienangehörigen.«
    »Niemand sonst?«, sagte ich ungläubig. »Nicht einmal meine Nichte?«
    Er zögerte, dann sagte er: »Es tut mir Leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber insbesondere nicht Ihre Nichte.« »Warum? Das ist ja lächerlich!« »Es war nicht meine Entscheidung.«
    Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Lucy darauf reagierte, dass sie ihre Freundin nicht sehen durfte.
    »Sie hat einen Splitterbruch am linken Oberschenkelknochen«, fuhr er fort. »Ich musste eine Platte einsetzen. Sie liegt in einem Streckverband und bekommt Morphium, Kay. Sie ist nur phasenweise bei Bewusstsein. Lediglich ihre Eltern besuchen sie. Ich bin nicht mal sicher, ob sie weiß, wo sie ist oder was passiert ist.«
    »Was ist mit der Kopfverletzung?«, fragte ich.
    »Nur ein Kratzer, eine kleine Fleischwunde.«
    »War Lucy überhaupt im Krankenhaus? Hat sie vor ihrem Zimmer gewartet? Vielleicht in Begleitung ihrer Mutter?«
    »Sie war da. Allein«, sagte Dr. Worth. »Irgendwann heute Vormittag. Ich bezweifle, dass sie jetzt noch da ist.«
    »Geben Sie mir zumindest die Gelegenheit, mit Jos Eltern zu sprechen.«
    Er reagierte nicht.
    »Graham?«
    Schweigen.
    »Um Himmels willen. Sie arbeiten zusammen. Sie sind die besten Freundinnen.« Schweigen. »Sind Sie noch da?« »Verdammt, Graham, sie lieben sich.
    Jo weiß vielleicht nicht einmal, dass Lucy noch am Leben ist.«
    »Jo weiß, dass es Ihrer Nichte gut geht. Jo will sie nicht sehen.«
    Ich beendete das Gespräch und starrte auf das Telefon. Irgendwo in dieser Stadt hatte sich meine Schwester in ein Hotel eingecheckt, und sie wusste, wo Lucy war.
    Ich nahm die Gelben Seiten und begann mit dem Omni, dem Jefferson, den bekann-teren Hotels. Bald hatte ich herausgefunden, dass Dorothy im Berkeley logierte, in dem historischen Viertel der Stadt, das unter dem Namen Shockhoe Slip bekannt war. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Es gab nicht sehr viele Orte, wo sie sich an einem Sonntagabend in Richmond aufhalten konnte.
    Ich eilte aus dem Haus und stieg in meinen Wagen. Die Skyline war in Wolken gehüllt. Ich parkte vor dem Berkeley.
    Kaum hatte ich es betreten, wusste ich, dass Dorothy nicht hier sein würde. In dem kleinen eleganten Hotel befand sich eine intime dunkle Bar mit

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