Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
bedeutet er mir etwas, weil ich ihn gesehen habe und nicht gestorben bin. Aber wer kennt sich schon aus in so einem Gehirn?«
    Sie erhob sich erneut von ihrem Schreibtisch und schloss eine Schublade in einem anderen Aktenschrank auf. Sie holte eine gewöhnliche Schuhschachtel heraus, zog das Klebeband ab und nahm den Deckel ab. Darin befanden sich acht kleine luftdurchlässige Pappschachteln und ebenso viele kleine Umschläge, jeder mit einer Fallnummer versehen.
    »Leider wurden von den Bisswunden keine Abdrücke gemacht«, sagte sie. »Denn dazu hätte ich einen Zahnarzt rufen müssen, und ich wusste, dass mir das nicht erlaubt worden wäre. Aber ich habe Abstriche gemacht, und vielleicht wird uns das weiterhelfen. Vielleicht auch nicht.«
    »Er hat versucht, die Bisswunden bei Kim Luong unkenntlich zu machen«, sagte ich. »Wir können keine Abdrücke machen.
    Auch Fotos würden nichts nützen.«
    »Das überrascht mich nicht. Er weiß, dass ihn jetzt niemand mehr beschützen kann. Er wildert jetzt - wie sagt man - in Ihrem Revier? Es wäre ein Leichtes, ihn anhand seines Gebisses zu identifizieren. Er hat sehr merkwürdig spitze, weit auseinander stehende Zähne. Wie ein Tier.«
    Ich hatte plötzlich ein komisches Gefühl.
    »An allen Leichen befanden sich Haare«, fuhr sie fort. »Wie von einer Katze. Ich habe mich gefragt, ob er Angorakatzen oder etwas Ähnliches züchtet.«
    Ich beugte mich auf meinem Stuhl nach vorn.
    »Wie von einer Katze?«, sagte ich. »Haben Sie die Haare aufgehoben?«
    Sie zog Klebeband von einem Umschlag ab, nahm eine Pinzette aus einer Schublade in ihrem Schreibtisch und holte mehrere Haare aus dem Umschlag. Sie waren so hauchdünn, dass sie herabschwebten, als sie die Pinzette der Schreibunterlage näherte.
    »Sie sind alle gleich. Neun oder zehn Zentimeter lang, blassblond. Sehr dünn, wie von einem Baby.«
    »Dr. Stvan, das sind keine Katzenhaare. Es sind Menschenhaare.
    Sie befanden sich an der Kleidung des nicht identifizierten Toten in dem Container. Wir fanden sie an Kim Luong.« Ihre Augen wurden größer.
    »Als Sie im ersten Fall Beweismittel weitergaben, waren da auch solche Haare dabei?«, fragte ich. »Ja.«
    »Und Sie haben nie wieder was davon gehört?«
    »Soweit ich weiß, wurde in den Labors nichts von dem analysiert, was ich übergeben habe.«
    »Oh, ich wette, es wurde alles analysiert«, sagte ich. »Ich wette, sie wissen verdammt genau, dass diese Haare von einem Menschen stammen und zu lang für Babyhaar sind. Sie wissen, was die Bissverletzungen bedeuten, und vielleicht wurde sogar die DNS analysiert.«
    »Dann sollten wir die DNS von den Abstrichen, die ich Ihnen geben werde, auch analysieren«, sagte sie und wurde zunehmend unruhiger.
    Es war mir gleichgültig. Es war nicht mehr wichtig.
    »Natürlich können Sie mit den Haaren nicht viel anfangen«, fuhr sie fort »Hirsutismus, keine Pigmente Man würde nur herausfinden, dass sie übereinstimmen, oder?«
    Ich hörte nicht zu. Ich dachte an Kaspar Hauser Er verbrachte die ersten sechzehn Jahre seines Lebens in einem Kellerverlies, weil der badische Prinz Karl sicherstellen wollte, dass Kaspar keinen Anspruch auf die Krone geltend machen konnte.
    »Keine DNS ohne Haarwurzeln.«, fuhr Dr. Stvan fort.
    Als Sechzehnjähriger tauchte er in Nürnberg auf, mit einem Zettel am Wams. Er war blass wie ein Silberfisch, konnte ebenso wenig sprechen wie ein Tier. Ein Freak. Er konnte nicht einmal seinen Namen schreiben, ohne dass ihm jemand die Hand führte.
    »Die mechanischen Blockbuchstaben eines Anfängers«, dachte ich laut, »Jemand, der von der Außenwelt abgeschirmt wurde, nie mit anderen zusammen war, nie irgendwo etwas lernte außer zu Hause. Vielleicht hat er es sich sogar selbst beigebracht«
    Dr. Stvan hörte auf zu reden.
    »Nur einer Familie ist es möglich, jemand von Geburt an abzuschirmen. Nur eine sehr einflussreiche Familie kann die Gesetze umgehen und dieser Anomalie ermöglichen zu morden, ohne gefasst zu werden. Ohne sich in Verlegenheit zu bringen, ohne unerwünschte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
    Dr. Stvan schwieg, während meine Worte allem, was sie glaubte, eine neue Wendung gaben, und eine neue schreckliche Furcht in ihr auslösten.
    »Die Familie Chandonne weiß ganz genau, was diese Haare, die anormalen Zähne bedeuten«, sagte ich »Und er weiß es auch.
    Natürlich weiß er es, und er muss annehmen, dass Sie es wissen, auch wenn Sie von den Labors nichts erfahren haben, Dr.

Weitere Kostenlose Bücher